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GMG: „Räuber. Schiller für uns.“

Schiller lebt. Erfrischend moderne Aufführung von Schillers „Die Räuber“ im GMG

[GMG, 17.04.2018] Der Theatergruppe der Oberstufe des Gregor-Mendel-Gymnasiums unter der Leitung von Christoph Schulz gelang es  in bravouröser Weise, ein Werk von Friedrich von Schiller wieder lebendig werden zu lassen, in die heutige Zeit zu transportieren und in einer temporeichen und furiosen Umsetzung dem begeisterten Publikum die Essenz des klassischen Stoffes auf sehr unterhaltsame Art  greifbar zu machen. Modern und weiblich, so die Adaption des Klassikers „Die Räuber“. Schillers Räuberhauptmann Karl Moor mutiert zur charismatischen Charlotte Moor (einfach überragend: Isabella Graf). Und Franz, Bruder von Karl, wird in der modernen Version zur eifersüchtigen und missgünstigen Schwester Franziska (sehr überzeugend und präsent verkörpert von Valeria Lagutina). Schillers treue Amalia verwandelt sich zum köstlich verklemmt und schüchtern wirkenden Volker (Leon Rohrwild), der  Ex-Freund von Charlotte, der immer noch an ihr hängt, aber an dem Franziska Gefallen gefunden hat, so dass er mehrere Avancen ihrerseits erdulden  und sich ihrer erwehren muss.

In Marlene Skalas Bearbeitung werden die männlichen Originalvorlagen zwar durch weibliche  zeitgenössische Rebellen ersetzt, hinsichtlich Gewaltbereitschaft, krimineller Energie und Idealismus stehen sie ihren literarischen Brüdern in nichts nach. Mit ihrer Bande hat sich Charlotte in einer alten Fabrikhalle eingenistet. Zur Mädchengang gehören die Materialistin Spiegel (toll und eindringlich: Tamara Lindner), die verkrachte Schauspielerin Nelly (einfach grandios: Judith Bäßler), die das Geschehen mit Original-Schillerzitaten begleitet und würzt, die Feministin Waltraud (stark: Valeria Maas), die fanatische Fundamentalistin Grimm (sehr ausdrucksstark: Johanna Lucks bzw. Clarissa Cizek in der Filmeinspielung), die frustrierte Sozialarbeiterin Alice (gekonnt: Jennifer Bektimirov), die Kleinkriminelle und Jüngste in der Bande Sam (überzeugend: Aurelia Ziegler) sowie die total durchgeknallte Computerspezialistin E.T., die von Carolin Spieß sehr authentisch und eindrucksvoll verkörpert wurde.

Auch die Nebenrollen waren stark besetzt. Lea Braun spielte Ruth, die Freundin von Franziska und Charlotte, Dorothea Niller die Kommissarin und Peter Netta mimte in seinen Rollen den Polizisten, einen GSG9-Beamten und eines der Monster.

Die Handlung der Stücks folgte im Wesentlichen dem Original. Lotte, die ihr Ausbrechen aus der bürgerlichen Gesellschaft mittlerweile bedauert und die Bande eigentlich verlassen will, wird von ihrer eifersüchtigen und intriganten Schwester Franziska, die sich um Charlottes Freund „kümmert“, an einer Rückkehr durch gefälschte Briefe an ihren Vater Maximilian Moor (in seiner Eigensüchtigkeit überzeugend dargestellt von Johannes Altmann) gehindert. Daraufhin schwört Charlotte endgültig ihren familiären Bindungen ab und wendet sich ganz dem illegalen Leben mit ihren dubiosen und in ihren Einstellungen recht fragwürdigen Bandenmitgliedern am Rande der Gesellschaft zu. So unterschiedlich die jungen Leute um Charlotte allerdings sind, so unterschiedlich sind auch ihre Beweggründe, sich in dieser Bande zusammen zu schließen, was schon bald zu existentiellen Interessenskonflikten führt und die Gruppe in eine ausweglose Situation bringt. Gerade hier prallen die Charaktere aufeinander – und das alles kommentiert von der Schauspielerin Nelly, die stets ein Reclam-Heft mit sich herumschleppt und auf Schritt und Tritt Schillers Sprachschätze gekonnt rezitiert. Als Charlotte die Gruppe verlassen will, fühlen sich alle im Stich gelassen. Ein gemeinsamer Coup, dem die Guten nur zustimmen, weil sie sich ausmalen, was sie mit dem Geld alles tun können, soll die Bande zusammenhalten. Doch die Situation eskaliert, und im Räuberlager entbrennt ein Machtkampf zwischen Geldgier, Gewalt und falsch verstandenem Heldentum.

Schiller, würde er heute noch leben, wäre am Ende sicherlich begeistert gewesen, und alle, denen der Zugang zu klassischen Stücken bisher fehlte, waren es mit Sicherheit auch.

Das äußerst anspruchsvolle und eigentlich recht textlastige Stück wurde mit einer unglaublichen Spielfreude umgesetzt und einem begeisterten Publikum präsentiert, das sich zum Schluss mit viel Applaus für diesen kurzweiligen Abend bedankte.

Winfried Sima, Spielleiter FOS/BOS

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„Die Probe“ – sehr frei nach Schillers „Die Räuber“

Eine Schultheatergruppe probt Schillers Theaterstück „Die Räuber“. Was da wohl dabei herauskommen wird? Bei der Theatergruppe der 6. bis 8. Jahrgangsstufen der Dr.Johanna-Decker-Schulen ein munteres Bühnenstück, das so manche Erinnerung an nervenaufreibende Proben beim Schultheater aufkommen ließ.

Spielleiter Andreas Hilgart und seine Mädeltruppe führten dem Publikum vor Augen, wie es im Probenraum wirklich zugeht in den Wochen vor dem großen Tag der Aufführung. Das von einem Autorenteam (Tia Stoll, Adriana Stanciu, Veronika Thomann, Andreas Hilgart) selbst erarbeitete Stück „Die Probe“ zeigte neben echtem O-Ton aus Schillers „Die Räuber“ Szenen aus dem Alltag, wie sie jeder Spielleiter, jede Spielleiterin bei jeder Probe jedes Mal wieder erlebt.

Da braucht man auch als Spielleiter auf der Bühne (Jessica Bin) schon starke Nerven, wenn Hermann (Adriana Stanciu) – in den „Räubern“ der Bastard – plötzlich anfängt herumzuzicken: „Immer kriege ich die Männerrollen!“ Oder eine Szene ganz dringend unterbrochen werden muss: „Darf ich mal aufs Klo?“ Und natürlich stolpern die Schauspielerinnen zur rechten Zeit über Schillers altertümliche Sprache. So freut sich der fiese Franz (Tia Stoll), der den alten Moor (Anna Sauerbeck) um die Ecke bringen will: „Dann bin ich der Chef“, bis es ihm endlich schwant: „Nein, Chef haben die damals noch gar nicht gesagt“. Auch die schöne Amalia (Jenny-Lee Piechaczek) muss vom Spielleiter immer wieder ermahnt werden, den Text nicht so zu leiern. Die Szenen mit den Räubern (Laura Porst, Leonie Kellner, Julia Schmidbauer und Lara Schug) und dem Diener Daniel (Anna Donhauser) hätten dagegen fast schon perfekt geklappt, wenn man im Eifer des Gefechts nicht vergessen hätte, die Rolle des Kosinsky zu besetzen. Na toll. Und dass es nicht mehr bis zum bitteren Ende kommt, bei Schiller ersticht Karl (Simone Deinzer) seine geliebte Amalia, ist nur dem – im Vergleich zu einer Schultheaterprobe – weitaus wichtigeren Termin beim Kieferorthopäden geschuldet.

Ja, so ist das halt bei Theaterproben mit Schülern. Die Realität auf witzige Weise als Theaterstück auf die Bühne gebracht zu haben, ist das Verdienst der ganzen Gruppe. Die kurzweilige und von allen Darstellerinnen flott und überzeugend gespielte „Probe“ ließ wohl so manchen Zuschauer zu der Erkenntnis gelangen, dass die Götter vor den Erfolg eines gelungenen Schultheaterabends den Schweiß gesetzt haben.

Uta Löw (EG)

Aufführung: 17. April 2013

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Schüler Schiller schreibt

Eigentlich hat er ja Pfarrer werden wollen – doch der böse Herzog ließ ihn nicht. Also schickte man den jungen Fritz Schiller zur Musterung an die Militärakademie. Sehr zum Leidwesen seiner weiblichen Verwandten… Also doch kein Stück von Schiller – sondern eines über den Dichter selbst? Die Oberstufentheatergruppe des Erasmus-Gymnasiums unter der Leitung von Uta Löw hatte sich für ihre Inszenierung beides vorgenommen. „Schiller schreibt seine Räuber“ lautet der Titel des selbst geschriebenen Stückes, aufgeführt am vergangenen Mittwochabend. Dabei gaben die achtzehn jungen Schauspielerinnen und Schauspieler alles, um dem Publikum einen abwechslungsreichen und interessanten Einblick in das Schaffen des jungen Dichters (charmant gespielt von Elias Lauerer) zu geben. 

Der wunderbar zackige Militärarzt (Tobias Andersch) bemängelt zwar die Größe und schmächtige Statur des jungen Friedrich, dennoch steht Schiller nun im Dienst des strengen Herzogs (Joschka Wischer), dem zwar wenig an seinen einzelnen Kadetten, dafür umso mehr am Wein liegt. Schiller findet nach Christian (Martin Fenk) rasch weitere Freunde in der Akademie. Da sein kreativer Geist sich vor allem nachts zu regen beginnt, umgeht er die abendliche Bettruhe, indem er sich des Öfteren krank meldet. In der Krankenstation findet er nämlich ein nächtliches Licht – und die Muße, sein erstes Drama zu schreiben: „Die Räuber“. Seine Kameraden nehmen enthusiastisch Anteil an dieser Schaffungsgeschichte. Sie hören, lesen und spielen voller Leidenschaft, was Friedrich in den Nächten geschaffen hat, verwandeln sich zuweilen selbst in die wilde Räuberbande unter ihrem Anführer Karl Moor (stark: Tobias Haller).

Auch den wunderbar fiesen, intriganten Bösewicht und Bruder Franz Moor (Matthias Aures) lässt Schiller vor den Augen seiner Mitschüler auferstehen. Unter seiner Regie proben zwei Freunde eine feurige Liebesszene (mitreißend gespielt von den Schwestern Franziska und Kerstin Hübner). Dramatischer Höhepunkt war zweifellos die Konfrontation Karl Moors mit dessen Vater (Mario Scharl) und seiner Verlobten Amalia (Cora Koch). Während der alte Moor röchelnd zusammensinkt, versucht Karls verzweifelte Verlobte, ihren Geliebten zurück zu gewinnen, ehe sie letztendlich durch seine Hand umkommt.

Schließlich sind „Die Räuber“ vollendet – und werden uraufgeführt. Und das Publikum sieht sich durch die jungen Schauspieler im „originalen“ Publikum dieser Erstaufführung widergespiegelt. Nun zeigen auch Lukas Dimpfl, Larissa Engelhardt, Anja Fischer, Ulrich Kraus, Anna-Lena Kuhn, Bina Rückel, Johanna Schötz und Katja Wamser noch einmal ihr tolles schauspielerisches Können. Ob es damals bei der Premiere allerdings tatsächlich so exstatisch, heulend und zähneknirschend zuging? Wir möchten es gerne glauben.

Claudia Ried (GMG)

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