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„Cleopatra“ meets „Leonce und Lena“

[06.07.2022/DJDS] „Cleopatra“ (August v. Kotzebue) und „Leonce und Lena“ (Georg Büchner)

Begeisterter Applaus für zwei unterhaltsame Stücke
Am Mittwoch, den 06. Juli 2022, wurden die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer im Gerhardingersaal nicht nur mit einem, sondern gleich zwei kurzweiligen Theaterstücken der Theatergruppe der Dr.-Johanna-Decker-Schule überrascht. Unter der Leitung von Peter Ringeisen und Florian Hackl verwandelten die Schülerinnen der Mittel- und Oberstufe die Bühne in verschiedene Orte der Literaturgeschichte.

Im ersten Stück, der Tragödie „Cleopatra“ von August v. Kotzebue, berichtete zunächst die überzeugende Prologussprecherin (Sarah Geck) in charmanten Reimen über das Schicksal von Julius Cäsar, welcher auf tragische Weise umgekommen war – und schon hier wird deutlich, dass das alles nicht so ernst gemeint ist. Seine Gemahlin Cleopatra (ausdrucksstark dargestellt von Sophia Lang) im opulenten Kleid aber schien, trotz ihres gemeinsamen Kindes Cäsarion (frech gespielt von Melanie Gruber), nicht über seinen Tod bekümmert. In kurzer Zeit wurde der egoistische und dominante Charakter von Cleopatra durch ihr überzeugtes Auftreten und ihre Handlungen auf der Bühne deutlich. Statt zu trauern, war sie schließlich eher darum bemüht, dass der stattliche Antonius (sicher verkörpert durch Louisa Birkel in einem liebevoll gestalteten Kostüm), ein römischer Triumvir, ihr zu Füßen läge, wofür sie sich mithilfe ihrer Kammerjungfer (Lina Eiban) hübsch machte. Dessen Gemahlin Octavia (Annabelle Schwegler) war daraufhin verständlicherweise zutiefst entsetzt. Der Wendepunkt der Tragödie ereignete sich, als Gallus (Nina Hauser) wortgewandt verkündete, dass Antonius die Schlacht gegen Augustus verloren habe. Aufgrund dieser Niederlage wollte Cleopatra den Kontakt zu Antonius abbrechen, und ihr Sohn sollte diesem berichten, dass sie sich ermordet hätte. Von dieser Nachricht allerdings zutiefst erschüttert, beschloss Antonius Selbstmord zu begehen. Bevor er jedoch das Jenseits erblickte, sah er Cleopatra noch ein letztes Mal, und die beiden führten ein scheinbar einfühlsames Gespräch. Sein tragischer Tod war der selbstsüchtigen Herrscherin am Ende allerdings sichtlich gleichgültig.

Die Stimmung der Tragödienparodie wurde durch lustige Wortwitze und das überzeugende Schauspiel der Schülerinnen immer wieder aufgeheitert und ließ die Besucherinnen das wahre Gesicht der Cleopatra erkennen. In einem reduzierten Bühnenbild lag der Fokus dabei auf dem einprägsam vorgetragen Text.

Im Anschluss begeisterte die Ringeisen- und Hackl-Truppe mit dem Lustspiel „Leonce und Lena“ von Georg Büchner die Anwesenden. So wurde Leonces Missgunst (sehr überzeugend gespielt von Melanie Gruber) gegenüber dem langweiligen Lebenswandel der Zeit gezeigt, dessen Geliebte Rosetta (Milena Weich) nur ein Zeitvertreib für ihn zu sein schien. Als sein vergesslicher und verwirrter Vater, der König Peter vom Reiche Popo (selbstbewusst verkörpert von Nina Hauser), ihn mit der Prinzessin Lena vom Reiche Pipi (charmant dargestellt von Louisa Birkel) verheiraten wollte, beschloss Leonce besser nicht bei seiner eigenen Hochzeit anwesend zu sein. Stattdessen ging er lieber mit seinem Kumpanen Valerio (äußerst leidenschaftlich: Kaya Lorenz) auf Reisen, der auch zur Begeisterung der Zuschauerinnen und Zuschauer immer für genug Unterhaltung, Essen und Wein sorgte.

Parallel dazu wurde die Geschichte der ebenso melancholischen Prinzessin Lena dargestellt. Auch sie zeigte sich skeptisch bezüglich der arrangierten Hochzeit, da sie stets nach der wahren Liebe suchte. Deshalb machte auch sie sich mit ihrer verständnisvollen Gouvernante (Sophia Lang) auf den Weg. In einem Gasthaus traf sie, welch ein Zufall, zum ersten Mal Prinz Leonce, ohne zu wissen, dass dies ihr Verlobter und künftiger Gemahl sei. Dieser fand sofort Interesse an der unbekannten Schönheit. Auf Vorschlag Valerios, seine eigenen Interessen immer im Auge behaltend, brachte Leonce die Unbekannte nach Hause, um sie seiner romantischen Art nach direkt zu heiraten.

Währenddessen befahl der besorgte Vater seinen chorisch überzeugend agierenden Bediensteten (Jasmin Schönberger, Lina Hein und Leni Flöter), Ausschau nach den zukünftigen Regenten des Landes zu halten. Unter den Augen verschiedener Bewohner des Reiches (überzeugend aufgeregt: Annabelle Schwegler, Emma Engels, Leni Flöter, Sarah Geck und Milena Weich) kam es schließlich zu einer Trauung der mithilfe von amüsanten Masken verkleideten Königskinder. Erst während der Zeremonie stellte sich heraus, dass sie ja sowieso einander versprochen waren und das Lustspiel nahm ein für alle positives Ende.

Nicht einmal mehrere Ausfälle durch Coronainfektionen (zwei Schülerinnen konnten nicht teilnehmen; tadellos gelöst von Leni Flöter) sah man der Aufführung an, und so wurde klar, wie viel Mühe und Arbeit in beiden Produktionen steckte. Diese wurden mit viel Applaus gewürdigt.

Nina Kohl, Spielleiterin am Max-Reger-Gymnasium

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Kleine Gruppe, große Wirkung

[DJDS, 07.04.2022] J. B. Priestley: „Ein Inspektor kommt

„Ein Inspektor kommt“ hieß es am vergangenen Donnerstag auf der Bühne des Gerhardinger-Saals. Mit der Aufführung dieses Dramas von J. B. Priestley durch die Theatergruppe der Dr.-Johanna-Decker-Schulen unter der Leitung von Peter Ringeisen und Florian Hackl wurde dem Publikum ein spannender und nachdenklich stimmender Theaterabend geboten.

Der zeitlose Kerngedanke, den das 1945 uraufgeführte Stück vermittelt, lässt sich so zusammenfassen: Wir sollten uns stets bewusst machen, dass unser Tun einem anderen schaden kann, und unser Handeln danach ausrichten, dass das möglichst selten passiert. Die Bedeutung dieser Maxime ist der Familie Birling am Anfang des Stücks fremd, sodass ein Inspektor – beeindruckend kühl und geradlinig gespielt von Leni Flöter – ihnen nacheinander vor Augen führen muss, wie die Summe ihrer egoistischen, zornigen und unüberlegten Entscheidungen eine junge Frau namens Eva Smith in den Selbstmord getrieben hat.

Im Fokus steht dabei zunächst das Familienoberhaupt Arthur Birling, das Eva wegen einer Teilnahme an einem Arbeiterstreik feuerte. Kaya Lorenz zeigt in dieser Rolle eine große Souveränität und ein nicht geringes komisches Talent auf der Bühne. Gerald Croft, der sich soeben mit Arthurs Tochter Sheila verlobt hat, wird ebenfalls einer Prüfung durch den Inspektor unterzogen. Er muss zugeben, dass er mit Eva eine Affäre hatte. Sobald er erkennt, was seine Taten bewirkt haben, stellt er ehrlich fest, dass er „berührter von der Sache“ ist, als er erwartet hätte. Dargestellt wird dieser Charakter von Eva Ringer, der es sehr gut gelingt, die Emotionen der Figur glaubwürdig zu transportieren.

Doch auch Arthurs Frau Sybil – überzeugend als unnahbare und selbstbewusste Herrin des Hauses verkörpert von Lea Borawski – und seine Kinder Sheila und Eric haben einen Anteil am Freitod der Eva Smith. Sybil, weil sie dafür gesorgt hat, dass die schwangere Eva keine Unterstützung von der von ihr eingerichteten Wohltätigkeitsorganisation erhielt. Sheila, weil sie dazu beigetragen hat, dass Eva eine weitere Anstellung verlor. Eric, weil er derjenige ist, der Eva geschwängert hat.

Die beiden letztgenannten Figuren gelangen im Gegensatz zu ihren Eltern am Ende des Stücks jedoch zu einer Einsicht und empfinden Schuld und Verantwortung für ihr Tun. Arthur und Sybil versuchen dagegen weiterhin, das Geschehene zu relativieren oder davon abzulenken. In der Rolle von Eric Birling überzeugt Ciara Pflaum, die den jungen Mann zunächst leichtfertig und später an der Situation und den uneinsichtigen Eltern verzweifelnd darstellt. Jasmin Schönberger, jüngstes Mitglied der Theatergruppe, spielt Sheila Birling so gut, dass man sich mit Arthurs Worten hin und wieder fragt: „Was ist denn los mit diesem Kind?!“

Das Bühnenbild orientierte sich mit wenigen Akzenten wie Portweingläsern und Ohrensessel im Salon der Familie Birling angenehm nah an der ursprünglichen Kulisse des Dramas. Dasselbe gilt für die Kostümierung, die die Damen im Kleid, die Herren im Anzug, den jungen Eric Birling mit Hosenträgern und den Inspektor im Trenchcoat zeigte.

Das Ensemble, obwohl überwiegend noch ohne bisherige Bühnenerfahrung, spielte textsicher und durchweg ausdrucksstark. Das Lob schließt Lena Gimpl ausdrücklich mit ein, die in Corona-Zeiten kurzfristig für Kimberly Reuter in der Rolle des Hausmädchens Edna einsprang. Auf äußerst charmante Weise lud sie das Publikum ein, sich in der Pause im 2. Akt an Getränken und Snacks zu erfrischen.

J. B. Priestleys „Ein Inspektor kommt“ ist ein ernstes und zeitloses Stück, das nicht nur das Thema Verantwortung in den Mittelpunkt rückt, sondern die Verantwortung für eine gelungene Inszenierung auf nur wenige Schultern, nämlich auf nur sieben Rollen verteilt. Die sieben Schauspielerinnen der Dr.-Johanna-Decker-Schulen haben diese Herausforderung bravourös gemeistert. Mit ihrer Aufführung forderten sie zudem das Publikum heraus, über die Themen Verantwortung und menschliches Miteinander auch nach dem Verklingen des Beifalls und dem Verlassen des Saals nachzudenken. Als kleine Gruppe erzielten sie somit eine große Wirkung.

Simone Nimmerrichter, Schulspielleiterin am MRG

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Ist erbarmungslose Ehrlichkeit die Lösung?

[DJDS, 03.07.2019] Die Oberstufe der DJDS spielt den „Menschenfeind“ von Molière.

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„Live! Alceste Lafitte liest. Abendkasse: 15€“ – „VOGUE heute: Party Dessous – Fashion Affair mit Célimène“

Die Plakate am Eingang machen klar – heute treffen wir die Crème de la Crème, den Jetset, die Stars und Sternchen.

Und schon in der ersten Sekunde des Stücks geht es hinein in die Bussi-Gesellschaft. Alle scheinen die besten Freunde zu sein. Küsschen hier. Küsschen da. Aber wer auf der Party fehlt, wird gnadenlos dem Gelächter preisgegeben. Und mittendrin Alceste, der Aufrechte. Ihn ekelt vor seinen Mitmenschen, die er für widerliche Schleimer und erbarmungslose Intriganten hält. Dass er Recht haben könnte, wird im ganzen Stück nie bestritten. Aber wie überlebt man gesellschaftlich, wenn man keine Kompromisse machen will?

Dummerweise verliebt sich der standhafte Alceste ausgerechnet in Célimène, den Star in der Welt der Falschheit. Auf jedem Fest steht sie im Zentrum, über Abwesende gießt sie beißenden Spott aus, und ihre zahlreichen Verehrer ködert sie genauso geschickt wie sie sie dann in Ungewissheit über ihre Chancen schmoren lässt. Alceste versteht diese Spielchen nicht. Jeden Flirt hält er für eine ernste Sache. Seine ständigen Vorwürfe bringen die Beziehung immer wieder fast zum Scheitern. Aber vor allem erkennt er die echte Célimène nicht mehr hinter der Rolle, die sie für die Öffentlichkeit spielt.

Denn für ihn ist jeder, der das Rollenspiel mitmacht, ein abstoßender Heuchler. Und er ist fest entschlossen, sich nie zu verstellen. So lässt er sich hinreißen, dem einflussreichen Oronte seine ehrliche Meinung über dessen neuestes – und wunderbar missratenes – Gedicht aufzutischen. Der rächt sich mit politischen Intrigen, die Alceste vor Gericht und in große Gefahr bringen.

Sein enger Freund Philinte und die ihm wohlgesonnene Éliante versuchen verzweifelt, ihm manche gesellschaftliche Konvention näherzubringen und ihn vor den Folgen des Prozesses zu bewahren. Aber in seinem Furor sieht er einen ungerechten Prozessausgang eher als leuchtenden Beweis seiner Thesen von der verlogenen Gesellschaft.

Und seine Mitmenschen bestätigen ihn immer wieder durch ihr falsches Spiel in seiner Meinung. Besonders raffiniert Arsinoé, die sich zur reinsten Heiligen in diesem Schweinestall stilisiert, alle andere für moralisch verdorben erklärt, aber in ihrem Kampf um die Gunst Alcestes auch vor der unappetitlichsten Verleumdung nicht zurückschreckt.

Als Alceste glaubt, vor dem Prozess und den Menschen in die Einsamkeit irgendwo am Ende der Welt fliehen zu müssen, bedeutet das auch die Trennung von Célimène, die ihn ehrlich liebt – aber nicht bereit ist, mit ihm „allein mit einer riesenhaften Hammelherde“ zu leben. So kommt zum Schluss die von Alceste lange verschmähte Éliante mit seinem Freund Philinte zusammen. Und die Zuschauer sowie die versammelte Schickeria erfahren aus einem abgefangenen Brief von Célimène, was sie wirklich über ihre zahlreichen Verehrer denkt. So bekommen alle nochmal ordentlich ihr Fett ab.

Die Oberstufentheatergruppe der Dr.-Johanna-Decker-Schulen bringt dieses Stück mit viel Elan und Können auf die Bühne. Und einer sehr gelungenen Besetzung:

Mal romantisch verliebt, dann wieder im ausufernden Streit: Maike Andresen als Alceste und Antonia Ferstl als Célimène sehr glaubhaft in den beiden Hauptrollen.

Wunderschönes Wechselspiel zwischen ehrlichen Worten für Alceste und haarsträubendem Verdrehen der Wahrheit für die feine Gesellschaft: Eva Pamler als Philinte und Sarah Dimpfl als Éliante.

Zwei trottelige Verehrer mit abstrusen Plänen, wie Célimène zu erobern wäre: Isabella Schwarz als Acaste und Lena Gimpl als Clitandre.

Der Intrigant, der mal schnell in zehn Minuten ein Gedicht zusammenschmiert und darauf so stolz ist wie das Gedicht grausig: Sibylle Krestel als Oronte.

Die bigotte Moralistin, die sich für keine Gemeinheit zu schade ist: Sophia Göbl als Arsinoé.

Außerdem Maria Altmann und Sofie Wittmann als loyale Diener und Madeleine Höreth als unbestechliche Vertreterin der Staatsgewalt.

Der alte Text wurde geschickt modernisiert und von der Gruppe aktualisiert, mit den Reimen gingen die Spielerinnen völlig souverän und natürlich um – eine große Kunst, ebenso wie das geschickte Platzieren der vielen Pointen.

So kam unter der kundigen Leitung von Studiendirektor Peter Ringeisen ein Theaterabend zustande, der nicht nur sehr gut unterhielt. Sondern der auch jede Menge Denkanstöße lieferte, wie man es selbst so hält mit der Balance zwischen manchmal erbarmungsloser Aufrichtigkeit und den kleinen oder größeren täglichen Unehrlichkeiten.

Hans-Christoph Schulz
(Spielleiter am Gregor-Mendel-Gymnasium)

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