Monatsarchiv: März 2016

Gott ist ein Franke!

Die Theatergruppe der FOS/BOS überzeugte mit ihrem kritischen Stück „Wie der Frau Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ ihr begeistertes Publikum

 In einer abgeänderten Bühnenfassung von Peter Weiss präsentierte die Theatergruppe der FOS/ BOS grandios dieses immer noch zeitgemäße Stück am Donnerstag einem begeisterten öffentlichen Publikum und am Freitag nochmals den Schülern ihrer Schule, die es ihnen mit einem großen Applaus dankten.

Fast wie in Kafkas „Der Process“ ereilt die unbescholtene Frau Mockinpott, in einer Doppelbesetzung überzeugend von Nina Heinicke und Sophia Gräfenhahn gegeben, ein Schicksal mit Dominoeffekt. Sie wird ohne Angaben von Gründen verhaftet und für einige Tage ins Gefängnis gesperrt, wo sie der Amtmann (Sophia Feja) finanziell ausnimmt. Wieder daheim wird sie von ihrem Mann (Sergej Pahl) wegen einer anderen verlassen und ihr Arbeitgeber, kaltschnäuzig gespielt von Sophie Feja, feuert sie. Doch anders als Josef K. in Kafkas Roman ergibt sich Frau Mockinpott nicht ihrem Schicksal – sie stellt Fragen. Begleitet von der kunterbunt gekleideten und damit aus der Rolle der Gesellschaft fallenden Frau Wurst, wunderbar verrückt von Theresa Kotz gespielt, macht sich Frau Mockinpott auf den Weg, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum sie all das erleiden muss und ob das gerecht sein kann.

Die erste Instanz, der sie gegenübertritt, ist die Medizin. Ein völlig durchgeknallter Arzt (Robert Schneider) unterzieht sie zusammen mit zwei Pflegern (Ahmad Mohamad Adris und Ali Mohammed) einem „Sehtest“, bei dem sie kläglich versagt, weil sie eben nicht das sieht, was von ihr erwartet wird. Es folgt ein blutiger operativer Eingriff, der sie wieder auf die richtige Bahn bringen soll. Doch der schlägt fehl, denn als sie erwacht, konfrontiert sie sofort Frau Wurst mit ihren bleibenden Fragen. Diese schleppt sie zur nächsten Instanz, der Regierung, die ja schließlich die Gesetze macht und das Strafmaß festlegt. Soldatenmäßig marschieren die Regierungsmitglieder (Sophie-Marie Engelbrecht, Sergej Bahl und Olga Wildt) bewaffnet mit Barhockern ein und beginnen mit ihrer Tätigkeit. Doch auch hier erhält Frau Mockinpott alles andere als Antworten. Mit Blabla und Floskeln, die jedes Mal mit frenetischem Selbstapplaus unterstrichen werden, bügeln die drei Regierungsmitglieder die in einem Barhockerkäfig gefangene Frau Mockinpott nieder und zerstören ihren symbolisch für ihr Leben stehenden Regenschirm weiter. Die angekündigte Regierungserklärung, a cappella von der gesamten Gruppe mit Cajon-Begleitung gerappt, bleibt eine floskelhafte Farce, die keine Lösung bietet. Frau Wurst weiß Abhilfe und verweist auf die höchste aller Instanzen: Gott. Und so machen sich die beiden Frau Mockinpotts und Frau Wurst auf den Weg zum Schöpfer. Im Himmel werden sie von schrägen, a-melodischen Himmelsklängen begrüßt, die schon erahnen lassen, dass auch hier kein Ausweg naht. Der anfangs völlig unauffällige Putzmann (Thomas Stahr) entpuppt sich als Gott selbst, der im tiefsten Fränkisch beteuert, dass er die Nase von den Anklagen der Menschen voll habe, die den Karren ja schließlich selbst in den Dreck befördert hätten. Die Antwort aller Antworten gibt sich Frau Mockinpott schließlich selbst. Sie erkennt, dass sie sich nicht auf die Wissenschaft, die Politik oder die Religion verlassen kann, sondern nur auf sich selbst. Mit einer gewaltigen Stimmskulptur skandiert die komplette Schauspielgruppe, dass „Anstand, Herz und Verstand“ die Dinge sind, die den Menschen weiterbringen. Beglückt erhalten die beiden Mockinpott-Darstellerinnen ein neues Leben in der Form eines Regenbogenregenschirms.

Mit einem minimalistischen Bühnenbild, in dem alle Bestandteile selbst zum Teil des Spiel wurden, und fantastischen Choreinlagen, die zentrale Aspekte der Aussage unterstrichen, schaffte es die FOS/BOS-Theatergruppe wieder einmal ein äußerst aktuelles wie auch unterhaltsames Stück unter der Leitung von Burkhart Häusler und Winfried Sima zu inszenieren. Man darf gespannt sein, welche Produktion im nächsten Jahr dem Publikum einen kurzweiligen Abend verschafft.

Diana Schneider (MRG)

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Überzeugend und liebenswürdig humorvoll

GMG präsentiert am Bildschirm und auf der Bühne: „Halbgötter in Weiß“

„Halbgötter in Weiß“ bot die Theatergruppe Oberstufe des Gregor-Mendel-Gymnasiums unter der Leitung von Claudia Ried an. Dieser Titel bezeichnete eine „schnulzige Krankenhaus-Soap“ – ein Genre, für das in Deutschland seit der „Schwarzwald-Klinik“ in den 1980er Jahren das Interesse kaum abgeflaut ist und das auch international gängig und populär ist.

Die Struktur des GMG-Stücks ist einfach und effektiv: Auf der rechten Seite der als Wohnzimmer einer WG eingerichteten Bühne steht ein großes Fernsehgerät (auch für das Publikum gut sichtbar durch eine stets funktionierende Beamer-Projektion), auf dem die Mitglieder der Frauen-WG sich regelmäßig die Serie „Halbgötter in Weiß“ ansehen, und zwar alle – bis auf die vernünftige, lässig-lockere Lea, der die durchsichtige Handlung mit ihren Klischees einfach zu doof ist; Constanze Gierl gab dieser Figur eine durchweg überzeugende Bühnenpräsenz. Lea bekommt also nichts von dieser Serie mit – und so merkt sie gar nicht, dass ihr neuer Freund, der Schauspieler Ben (verschmitzt und souverän gespielt von David Pickel), der Darsteller des Serienstars ist, den Leas Freundinnen wöchentlich am Bildschirm anhimmeln: Dr. Colin DeBurgh.

Lea findet heraus, dass ihr neuer Freund der Serienstar von „Halbgötter in Weiß“ ist.

Ganz besonders begeistert von diesem „Halbgott in Weiß“ ist Greta, die ihren Colin nicht nur gegen spöttische Bemerkungen ihrer Mitbewohnerinnen verteidigt, sondern von dessen Existenz sie felsenfest überzeugt ist. Deshalb fällt sie aus allen Wolken, als Lea ihren neuen Freund Ben eines Tages mit in die WG bringt – wie vom Donner gerührt spricht sie ihn ehrfürchtig als „Dr. DeBurgh“ an und ist so sehr in der Scheinwirklichkeit der Krankenhausserie gefangen, dass sie es nicht akzeptieren kann, dass der Schauspieler in seinem Privatleben kein gefeierter Neuro-Chirurg ist; Franziska Neuser spielte die Naivität der Greta mit inbrünstiger Überzeugung. Erst ganz am Schluss gelingt es einer anderen Schauspielerin aus der Serie – die Ben zu einer Party in die WG eingeladen hat –, Greta die Augen zu öffnen. Die Darstellerin der tatkräftigen Oberschwester Michaels (Alex Jelicka) füllte auch hier ihre Rolle als resolute gute Seele der Klinik bestens aus.

 

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Ben teilt seinen Freunden mit, dass er aus der Serie aussteigt.

Alle Einzelheiten des sehr unterhaltsam gestalteten Doppellebens dieser Schultheateraufführung – auf der Bühne und im Fernsehen – lassen sich hier nicht aufzählen, deshalb noch zwei strukturelle Anmerkungen. Zum einen wird die Spielhandlung im WG-Zimmer immer wieder für ein kurzes Solo jeder Darstellerin unterbrochen, in dem sie in einer stummen Pose darstellt, wovon sie träumt. Ein sehr charmanter Einfall, der jeweils zur sonstigen Rolle der Figur passt: Ling-Ling, die sich redlich mit der schwierigen deutschen Sprache abmüht, sieht sich als Lehrerin, die ihren WG-Freundinnen das Koreanische beibringt (Thu Nga Tran mit unbeschwerter, sympathischer Spielweise); die fleißige Elisabeth träumt von einem Studienabschluss mit Bestnote (Sarah Hepp als liebenswerte Streberin); Melanie, die in der WG immer saubermacht, schwebt eine Szene vor, in der alle anderen auf Knien den Boden polieren (Katharina Waal ist die nachsichtige, aber genaue Hygiene-Freundin); die Nachwuchsschauspielerin Lilly (überzeugend glamourös: Berta Depperschmidt) nimmt in ihrem Traum einen Oscar entgegen, und die lässige und coole Vicky (ideal verkörpert von Antonia Schmidt) steht aufgereiht zum Pressefoto als Bundeskanzlerin zwischen Putin und Obama. In weiteren Rollen spielten ebenso glaubwürdig Johanna Mehringer und Martina Mikuta.

Damit zur zweiten Anmerkung zur Struktur: Alle Bewohnerinnen der WG (und Ben) sind zur Zeit (noch) in der Oberstufe des GMG – während alle Schauspielerinnen und Schauspieler der Krankenhausserie ehemalige Mitglieder der Theatergruppe sind, die sich für die Dreharbeiten trotz Terminschwierigkeiten noch einmal zusammengefunden haben (plus David Pickel natürlich, der öfter zwischen den Welten wechseln muss). Die Kamera-Leute Kevin Altmann und Jonathan Grothaus haben dabei ganze Arbeit geleistet und die für das Genre angemessen klischeehafte Darstellung der Krankenhaus-Crew perfekt eingefangen: Jonathan Grothaus selbst spielte den Chefarzt, und die diversen Ärzte, Schwestern und Patienten verkörperten mit bester Spiellaune Lena Härteis, Alex Jehlicka, Meike Pfeiffer, Anna Shalsi und Barbara Winkler.

Immer wieder Heiterkeit zwischendurch und großen Applaus am Ende gab es vom Publikum zu hören. Spielleiterin Claudia Ried kann auf ihre Truppe stolz sein – und auch auf die eigene Leistung, denn das Drehbuch stammt aus ihrer Feder.

Peter Ringeisen (DJDG)

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