Die Theatergruppe der FOS/BOS überzeugte mit ihrem kritischen Stück „Wie der Frau Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ ihr begeistertes Publikum
In einer abgeänderten Bühnenfassung von Peter Weiss präsentierte die Theatergruppe der FOS/ BOS grandios dieses immer noch zeitgemäße Stück am Donnerstag einem begeisterten öffentlichen Publikum und am Freitag nochmals den Schülern ihrer Schule, die es ihnen mit einem großen Applaus dankten.
Fast wie in Kafkas „Der Process“ ereilt die unbescholtene Frau Mockinpott, in einer Doppelbesetzung überzeugend von Nina Heinicke und Sophia Gräfenhahn gegeben, ein Schicksal mit Dominoeffekt. Sie wird ohne Angaben von Gründen verhaftet und für einige Tage ins Gefängnis gesperrt, wo sie der Amtmann (Sophia Feja) finanziell ausnimmt. Wieder daheim wird sie von ihrem Mann (Sergej Pahl) wegen einer anderen verlassen und ihr Arbeitgeber, kaltschnäuzig gespielt von Sophie Feja, feuert sie. Doch anders als Josef K. in Kafkas Roman ergibt sich Frau Mockinpott nicht ihrem Schicksal – sie stellt Fragen. Begleitet von der kunterbunt gekleideten und damit aus der Rolle der Gesellschaft fallenden Frau Wurst, wunderbar verrückt von Theresa Kotz gespielt, macht sich Frau Mockinpott auf den Weg, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum sie all das erleiden muss und ob das gerecht sein kann.
Die erste Instanz, der sie gegenübertritt, ist die Medizin. Ein völlig durchgeknallter Arzt (Robert Schneider) unterzieht sie zusammen mit zwei Pflegern (Ahmad Mohamad Adris und Ali Mohammed) einem „Sehtest“, bei dem sie kläglich versagt, weil sie eben nicht das sieht, was von ihr erwartet wird. Es folgt ein blutiger operativer Eingriff, der sie wieder auf die richtige Bahn bringen soll. Doch der schlägt fehl, denn als sie erwacht, konfrontiert sie sofort Frau Wurst mit ihren bleibenden Fragen. Diese schleppt sie zur nächsten Instanz, der Regierung, die ja schließlich die Gesetze macht und das Strafmaß festlegt. Soldatenmäßig marschieren die Regierungsmitglieder (Sophie-Marie Engelbrecht, Sergej Bahl und Olga Wildt) bewaffnet mit Barhockern ein und beginnen mit ihrer Tätigkeit. Doch auch hier erhält Frau Mockinpott alles andere als Antworten. Mit Blabla und Floskeln, die jedes Mal mit frenetischem Selbstapplaus unterstrichen werden, bügeln die drei Regierungsmitglieder die in einem Barhockerkäfig gefangene Frau Mockinpott nieder und zerstören ihren symbolisch für ihr Leben stehenden Regenschirm weiter. Die angekündigte Regierungserklärung, a cappella von der gesamten Gruppe mit Cajon-Begleitung gerappt, bleibt eine floskelhafte Farce, die keine Lösung bietet. Frau Wurst weiß Abhilfe und verweist auf die höchste aller Instanzen: Gott. Und so machen sich die beiden Frau Mockinpotts und Frau Wurst auf den Weg zum Schöpfer. Im Himmel werden sie von schrägen, a-melodischen Himmelsklängen begrüßt, die schon erahnen lassen, dass auch hier kein Ausweg naht. Der anfangs völlig unauffällige Putzmann (Thomas Stahr) entpuppt sich als Gott selbst, der im tiefsten Fränkisch beteuert, dass er die Nase von den Anklagen der Menschen voll habe, die den Karren ja schließlich selbst in den Dreck befördert hätten. Die Antwort aller Antworten gibt sich Frau Mockinpott schließlich selbst. Sie erkennt, dass sie sich nicht auf die Wissenschaft, die Politik oder die Religion verlassen kann, sondern nur auf sich selbst. Mit einer gewaltigen Stimmskulptur skandiert die komplette Schauspielgruppe, dass „Anstand, Herz und Verstand“ die Dinge sind, die den Menschen weiterbringen. Beglückt erhalten die beiden Mockinpott-Darstellerinnen ein neues Leben in der Form eines Regenbogenregenschirms.
Mit einem minimalistischen Bühnenbild, in dem alle Bestandteile selbst zum Teil des Spiel wurden, und fantastischen Choreinlagen, die zentrale Aspekte der Aussage unterstrichen, schaffte es die FOS/BOS-Theatergruppe wieder einmal ein äußerst aktuelles wie auch unterhaltsames Stück unter der Leitung von Burkhart Häusler und Winfried Sima zu inszenieren. Man darf gespannt sein, welche Produktion im nächsten Jahr dem Publikum einen kurzweiligen Abend verschafft.
Diana Schneider (MRG)