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GMG: „Die Farm der Tiere“

Gemeinsamer Kampf gegen Unterdrückung

[GMG, 27.06.2018] Die GMG-Theatergruppe „Die Oscars“ hatte sich für ihre Aufführung einen modernen Klassiker ausgesucht, der zwar als wichtig, aber auch etwas spröde gilt: George Orwells „Farm der Tiere“, eine Fabel, die ein düsteres Bild von der Zukunft entwirft. Spielleiterin Claudia Ried schrieb den Text jedoch so geschickt um, dass nicht nur aus dem Prosatext ein Theaterstück wurde, sondern dass man es auch mit Aufmerksamkeit, mit Anteilnahme und mit Begeisterung verfolgte.

In der ersten Spielsequenz wird den Zuschauern vor Augen geführt, wie schlecht es den Tieren auf der Farm von Bauer Jones und seiner Frau geht: Laurin Wiedenbauer und Fabienne Rauscher stellten das Ehepaar dar, das nicht nur mit dem Leben auf dem Bauernhof, sondern auch miteinander unglücklich ist. Die desolate Lage (die Tiere hungern und frieren) bringt die Tiere dazu, dass sie sich heimlich versammeln und sich gegenseitig ihr Leid klagen. Von allen Seiten hört man Beschwerden, und man muss den beiden Katzen (Alina Dotzler, Julia Neuberger) rechtgeben, die in koketter Kätzchenmanier immer wieder maunzen: „Bauer Jones ist böse!“ Die wichtigste Person aber ist das Schwein Old Major (würdevoll-kämpferisch: Simon Böller), das die Tiere zum Widerstand aufruft. Nach anfänglichem Zögern – denn eigentlich ist Hahn Ronaldo der Tollste (meint er, selbstbewusst verkörpert von Niko Tadin) – schließt sich auch das Federvieh an (Jessica Urbanovic und Laura Tschursin als elegante Hennen), und die anderen Tiere folgen. Besonders die Schafe tun sich hervor, wenn es gilt, kämpferische Slogans zu rufen – das gelingt der Darstellerinnen Julia Depperschmidt, Mabel Kigadye und Leonel Lopez Schmidt überzeugend: „Vier Beine gut, zwei Beine schlecht!“ So greifen die Tiere die Bauersleute an und vertreiben sie vom Hof.

Und hier kommt ein sehr gelungener Theaterkniff erstmals zum Einsatz: Während die Tiere regungslos auf der Bühne verharren, wird eine Erklärebene eingezogen. Der Autor George Orwell – intellektuell und ernsthaft gespielt von Richard Römmich – und eine kritische Gesprächspartnerin namens Ellen (mit viel Engagement und Empathie: Paula Schißlbauer) betreten die Bühne, und George muss sich gleich einmal dafür rechtfertigen, dass er in seiner Geschichte Tiere zu sprechenden Hauptfiguren macht. _DSC_8455_george+ellenFür diejenigen im Publikum, die Orwells Text noch nicht kannten, bietet die folgende Erklärung eine wertvolle Verständnishilfe: Die Handlung erzählt die Entwicklung des sowjetischen Kommunismus nach, beginnend mit der Revolution 1917, bis zur Gegenwart des Autors, der den Text 1943/44 verfasste. George und Ellen schalten sich später noch mehrmals ein, um die Entwicklung zu erklären und den Zusammenhang mit der Fabel-Handlung aufzuzeigen.

Die Freude der Tiere ist groß, als sie feststellen, dass sie nun frei sind. Aber der Visionär Old Major ist in der Aufregung gestorben – und nun übernehmen die anderen Schweine das Kommando, angeblich, weil dies der letzte Wille des Anführers gewesen sei. Schon hier zeigt sich, dass die idealistische Schneeball (treffend gespielt von Alicia Schroers Gómez) von den anderen Schweinen ausgetrickst wird, die nicht das große Ganze im Sinn haben, sondern nur ihren eigenen Vorteil. Die Rücksichtslosigkeit und Kaltblütigkeit der neuen „Chefs“ stellten Ayana Bauer, Katharina Filimonov und Celina Fink in Mimik und stimmlichem Ausdruck gut dar.

_DSC_8485_dieneuenchefsLeider hilft es den anderen Tieren zunächst nicht, die Situation richtig zu analysieren, wie es die nachdenkliche Eselin Cassandra tut (Marion Hopfenzitz). Auch die Hunde und Pferde (Ida Hanft, Violetta Kaiser, Pongsawat Permpoksub, Natalia Matula und Vivian Gier) können sich nicht dagegen wehren, dass die Schweine sie zum Arbeitseinsatz einteilen. Die Tiere werden schließlich von den Schweinen genauso ausgenutzt wie vom Bauern. – Doch am Ende (anders als im Original) gelingt noch einmal eine Wende: Orwells Gesprächspartnerin Ellen hat Mitleid mit den Tieren und überredet den Autor, ein Happy End zu schreiben. Dies deutet sich am Schluss an, als sich die Tiere verabreden, die Schweine zu vertreiben.

„Die Oscars“ überzeugten die Zuschauer durch ihr engagiertes, frisches Spiel, das durch wenige, effektvoll eingesetzte Requisiten und durch passende Musikeinspielungen unterstützt wurde. Oberstudienrätin Claudia Ried, die Drehbuch-Autorin und Regisseurin, konnte auf ihre Gruppe stolz sein, das zeigte auch der begeisterte Schlussapplaus in der zum Theatersaal umgebauten Mensa des Gregor-Mendel-Gymnasiums.

Peter Ringeisen, Spielleiter am DJDG

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EG: „SMS-Stories aus Maggies Salon“

Rasantes Stück über Segen und Fluch moderner Technik

[EG, 26.06.2018] „Ich bin bei Maggie, wo denn sonst?“  Diese Aussage von Möchtegern-IT-Girl Susi umreißt bereits präzise, wo man zu sein hat, wenn man nicht OUT sein will sondern IN: Im topschicken Mode- und Friseursalon von Maggie.

Maggie (Leyla Hamaloglu, mit perfekten Locken), die ihren Laden mit herrischer Lässigkeit schmeißt, hat nicht nur die trendigsten Styles auf Lager, sondern auch zu jedem seelischen Tief die passende Frisur.  Und sie besitzt eine Zauberwaffe: Strähnchen.

Weil in diesem Stück (nach dem Bühnenspiel „Handy- Stories“ von Hans Zimmer) alles mindestens doppeldeutig ist, so erkennt der Zuschauer eventuell erst beim zweiten Auftritt: Strähnchen sind bunt, aber „Strähnchen“ ist auch schrill, denn der angestellte Friseur Nick (Maritta Singer) trägt nicht nur einen Drei-Tage-Bart und eine grauenhafte Jacke aus Leopardenfell, sondern auch diesen mindestens genauso grauenhaften Spitznamen.

Die Theatergruppe des Erasmus-Gymnasiums unter der Leitung von Susanna Rosemann präsentierte ineinander verwobene Handlungsstränge und Menschen, die – auf der Bühne wie im Stück selbst – in die Rolle mindestens einer anderen Person schlüpfen. Freche, oft hintersinnige Sprüche, Wortwitz und die immerwährende Präsenz des unentbehrlichen Handys, prägen dieses rasante Stück, das in kurze Einzelszenen aufgeteilt war.  Effektvolle Licht- und Toneffekte setzten die engagierten Schauspieler gekonnt in Szene.

Lisa (Lisa Brandel) erzählt (rechter Bühnenteil) Strähnchen von dem neuen Mädchen in der Klasse: „Total uncool“. Zur Überraschung aller Mitschüler interessiert sich der Star der Klasse (Timo Salfetter) für sie: (linker Bühnenteil) Er geht auf sie zu, er führt sie aus, er sieht ihr Handy, ein „hässliches, uraltes Teil“ und flüchtet schockiert:  „Mit so einer will ich nichts zu tun haben!“ Die Szene links verschwindet, und Lisa gesteht völlig geschlagen: „Dieses Mädchen war ICH!“

Die beiden Freundinnen Tilly (Lina Wu)und Lilly (Alexia Frescher), total vertieft in ihr Gespräch am Handy, realisieren reichlich spät, dass sie im gleichen Laden stehen: „Wow, Du siehst voll wie live und in echt aus- DU BIST ES JA WIRKLICH!!“

Auch reichlich zickenfies geht es zu: Susi (Katharina Schmid), Laura(Sara Böller) und Lilly träumen im höchsten Himmel davon, ein Handy zu sein: „Wenn ICH ein Handy wäre, dann wäre ich ein „Xperia XZ2“….Als sich auch die kleine Tilly in die Schwärmereien einklinkt, fallen die anderen aus allen Wolken: „Duuuuu? Hast Du überhaupt eines??“

Später kommt sie heulend angelaufen und jammert: „Er hat Schluss gemacht“. Da fragen sie nur verwundert: „Hattest Du überhaupt einen?“

Tinka (Katharina Schmid) hat ihr Handy verloren, und wir alle wissen, was das bedeutet: „Ausgestoßen aus der menschlichen Gesellschaft“ zu sein. Schließlich bekommt  sie aber den heißen Tipp, dass Marco aus der neunten Klasse eines gefunden hat. Um ihn zu treffen, gibt es nur drei Orte, die in Frage kommen: Im Bus, auf dem Schulhof oder im Pub. Als sie ihn endlich ausfindig macht, muss sie enttäuscht feststellen, dass es nicht ihr Handy ist. Allerdings er findet sie umwerfend…

Zwischen den Szenen will uns „Handy-Boy“ (Jonathan Rösel) äußerst überzeugend wieder und wieder verklickern, dass ohne Instagram, Snapchat und Twitter gar nichts läuft. Bei der achten Wiederholung seines Spruches wird er zur Erleichterung des Publikums resolut von Maggie aus dem Laden geworfen: „Es reicht, wir ham´s kapiert!“

Auch die selbstbewusste Chefin lässt uns ein wenig in ihr Gemüts- und früheres Leben blicken: Damals, als sie sich noch Melanie nannte, von einer Therapeutin (Lisa Brandel) gefragt, ob sie außer am Handy hängen, chatten und Apps runterladen denn keine Hobbies habe, antwortet sie: „Doch, ich hab mal Hockey gespielt. Bin aber rausgeflogen. War im Tor. Hab gechattet.“ „Im Tor?“ „Ja“. „Und hast Du denn einen Freund?“ „Glaub schon.“ „Du glaubst schon? Heißt das Ja oder nein?“ „Ja…. Das Handy ist doch mein Freund“.

Nina (überzeugend gespielt von Felicitas Groth) flüchtet in den Friseursalon: Sie konnte aus Geldmangel eine hohe Rechnung für Flirt-SMS nicht bezahlen, was ihre Eltern mit einem „Sieh zu, wie Du klar kommst!“ quittierten.

Nun sind ihr zwei ungemütliche Typen eines Inkasso-Unternehmens auf den Fersen: „Wir werden nicht zum Kaffetrinken vorbeikommen. Zahlen- und wir sind alle Freunde!“

Zu allem Überfluss hat sie sich in ihren „total süßen“ Chat-Partner Ricky/ Frankie/ Knut / Viktoria Eckroth verliebt, auf den sie „ganz zufällig“ hier in Maggies Salon trifft- ohne natürlich zu wissen, wer da leibhaftig vor ihr steht. Jener hat sich – „total unprofessionell“ – voll verknallt … in eine Kundin. Als er -Ricky bzw. Frankie bzw. Knut – daraufhin nur noch mit dieser chatten konnte, war es „Aus – vorbei – Rauswurf“.

Nach und nach, durch ein Dickicht von sprachlichen Umwegen hindurch, erkennen sie im jeweils anderen den heiß geliebten Chat-Partner wieder.

Als wären hier nicht schon genug Zutaten für ein gelungenes Schulspielstück eingearbeitet, gab es zwischendrin noch ein musikalisches Zuckerl: Eine glockenreine, starverdächtige Stimme begleitet nur von einer E-Gitarre brachte den passenden Song: „Hey Du da, ich weiß es genau, Du bist es, die Frau, ich erkenn Dich schon am Klingelton…“ (Christine Uhle, Florian Häusler, Ronja Bergler, Norah Csanadi und Franziska Scharf).

Kurzweilig, bunt, witzig, auch mit kleineren Pannen, durchaus nachdenklich stimmend werden allerlei Probleme und Problemchen serviert, mit denen junge wie nicht mehr so junge Leute durch den Segen oder Fluch der modernen Technik konfrontiert sind. Am Ende bedankten sich die Schauspieler bei ihrer Leiterin Susanna Rosemann für die Geduld und ihr Engagement mit einem großen Strauß Rosen, und auch die Entschuldigung kam nicht zu kurz, dass man manches Mal, anstatt zu proben, wie könnte es anders sein, am Handy hing…

Christine Kleinert, Spielleiterin am GMG

 

 

 

 

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FXvS-RS: „Das verkaufte Lachen“

Wer zuletzt lacht …

[FXvS-RS, 07.06.2018] Zu lachen gab es viel bei der Aufführung von „Lach, die Wette gilt“ an der Franz-Xaver-von-Schönwerth-Realschule am Donnerstagabend. Doch die Schultheatergruppe „Theaterfieber“ schaffte noch viel mehr, als ihr Publikum zu amüsieren. Sie berührte mit ihrem Spiel, sie überraschte und verzauberte die Zuschauer mit einem Feuerwerk an Schauspielkunst und Spielfreude.

Angelehnt an die Geschichte „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“ von James Krüss erfreut in diesem Stück Tina Thaler (absolut grandios gespielt von Johanna Meiler) ihr Umfeld mit ihrem mitreißenden Lachen. Ob auf dem Klassenfoto oder im Kinosaal – keiner kann sich ihrer fröhlichen Art entziehen. So wird auch die teuflische Baronin Lefuet (herrlich durchtrieben und tyrannisch dargestellt von Emilia Krieg) auf das Mädchen aufmerksam – und schlägt ihr jenen verhängnisvollen Tausch vor: Ihr Lachen gegen die Fähigkeit, von nun an jede Wette zu gewinnen. Gutgläubig willigt Tina ein. Doch obgleich sie von nun an tatsächlich jede noch so absurde Wette gewinnt und bald schier in Geld schwimmt, hat sie mit ihrem Lachen zugleich auch ihre Lebensfreude verloren.

Ebenso beeindruckend wie die klar und begeistert gespielte Handlung war das Setting der einzelnen Szenen. Die hochkonzentrierten Schauspieler (unter anderem Katharina Lautenschlager, Annika Hagen, Daniela Zorn, Jasmin Fischer und Leonie Ziebert) schlüpften dabei mühelos von einer Rolle in die andere: Sie kicherten auf dem Klassenfoto, johlten auf der Rennbahn, futterten Popcorn im Kino und mimten fordernde Hotelgäste. Dabei entstanden auf der Bühne beinahe wie von selbst die eindrucksvollsten Bilder und starke Stimmungen, umrahmt von rockiger bis melancholischer Musik. Und selbst die Beleuchtung spielte eine eigene Rolle – wie zum Beispiel das düstere Rotlicht, das jeden von Baronin Lefuets Auftritten einleuchtete.

Am Ende gewinnt – wie schön – das Gute, und sogar ihre eifrigen Helfer (Nisa Apaydin, Fabian Höcherl, Annika Hierreth, Ceren Göz, Sophie Saval, Chiara v. Wichtingen und Lena Hummel) wenden sich von der Baronin ab. Angefeuert von ihren treuen Freunden (Jessica Ril und Ines Tischner) spielt Tina schließlich ihren großen Trumpf aus und wettet sich ihr Lachen zurück. Und wer zuletzt lacht…

Das dürften auf jeden Fall die Schulspielleiterinnen Brigitte Bodensteiner und Katharina Augustin gewesen sein, denn sie hatten – verstärkt durch den begeisterten Applaus – allen Grund, auf ihre tolle Truppe stolz zu sein.

Claudia Ried, Spielleiterin am GMG

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GMG: „Der Schöne und das Biest“ (Eigenproduktion)

Zickenterror am GMG

[GMG, 17.05.2018] Wer das Märchen Die Schöne und das Biest kennt, war bei der Aufführung der Mobbits unter der Leitung von Christine Kleinert wahrscheinlich erst mal überrascht. Aber halt – es war ja Der Schöne und Das Biest Lou, die genau so ist, wie man es sich zeitgemäß vorstellt – gemein, zynisch, ungerecht und immer auf den eigenen Vorteil bedacht (sehr überzeugend gespielt von Jessica Dering). Im Gegensatz dazu symbolisiert Der Schöne Lu (mit viel Spielfreude Lysan Reitemeyer) leider das typische Mobbingopfer. Neu in der Klasse und zufällig und zu seinem Nachteil mit dem fast identischen Spitznamen wie das Biest bestraft, dauert es nicht lange, bis er am eigenen Leib erfährt, was es bedeutet, den Unmut von Lou auf sich zu ziehen. Aber Lou ist nicht alleine, sie wird tatkräftig unterstützt von ihrer Mädchenclique (Michelle Sokolov und Melinda Kohl).

Obwohl Lu von den netten Mädchen der Klasse gewarnt wird (Fadim Yüksel, Amina Hajri, Toreen Rofi), macht ihm Lou bald das Leben zur Hölle. Diese hingegen, die selbst ihre Freundinnen schlecht behandelt, hat ihrerseits ganz andere Probleme, einen karrierebedachten Vater (Silvan Rupp) und eine stylische, aber auch sehr an Statussymbolen interessierte Mutter (Marleen Kollbrand), der die Größe ihres begehbaren Kleiderschranks wahrscheinlich wichtiger ist als das Wohl ihrer Tochter. Doch keiner kennt das wahre Ich von Lou.

Aber je schlechter sie Lu behandelt, ihn in Lebensgefahr bringt und in der Schule bloßstellt, umso mehr rücken ihre Mitschüler zusammen und beschließen, dass sie etwas ändern müssen. Ausschlaggebend ist die Beichte von Lous Freundin Lissi. Diese gibt zu, auf Lous Drängen gemeinsam mit ihr Ladendiebstahl begangen zu haben. Aus Angst, die Verkäuferin (Amelie Kny) könnte sie anzeigen, wenden sich die Schülerinnen schließlich an ihre Lehrerin (Emma Lederer), und schließlich kommt auch Lous Angst, mit ihren Eltern wieder umziehen zu müssen, ans Licht:  Lu ist derjenige, der sie im Wald findet, nachdem sie sich den Kopf angeschlagen hat. Während ihrer Ohnmacht hat sie sich selbst als nette und mitfühlende Prinzessin gesehen und Lu als den sie und das gesamte Königreich rettenden Prinzen. Lu, der allen Grund hätte, Lou seinerseits schlecht zu behandeln, kümmert sich um sie und berichtet den anderen von Lous Problemen. Die Lehrerin erkennt, dass Lou nicht bloßgestellt werden darf und schlägt ein gemeinsames Projekt aller Schüler vor – als Voraussetzung dafür, dass Lou nicht angezeigt wird. Sowohl Lou als auch die Verkäuferin lassen sich darauf ein, und die Tanzaufführung wird ein voller Erfolg.

Das Ende des Stücks bleibt offen, aber Lu, der in der Schlussszene den Arm um Lou legt, zeigt, dass der Plan der Lehrerin aufgegangen ist und es wohl ein Happy End gibt.

Der Schöne und das Biest, eine Eigenproduktion der Mobbits gemeinsam mit ihrer Spielleiterin Christine Kleinert, greift viele aktuelle Themen aus der Lebenswelt der Schüler auf – Mobbing, Diebstahl, Probleme mit den Eltern und in der Schule. Diese Schülernähe erkennt man, die Darsteller haben mit viel Freunde und Elan IHR Stück auf die Bühne gebracht und mit ihrer motivierten Spielweise auch kleine Texthänger gekonnt überspielt. Unterstützt wurden sie dabei vom Technik-Team des GMG. Und die Botschaft war klar erkennbar: nicht Aussehen oder Status sind wichtig, sondern der Zusammenhalt der Schüler.

Bianca Rauchenberger und Nina Kohl, Spielleiterinnen am MRG

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Studio Rapsodyczne: „Romeo and …“

[außer der Reihe – nicht Teil der Schultheatertage, aber für Schultheatergruppen] Eine sprachlich, inhaltlich und schauspielerisch ungewöhnliche Theateraufführung fand am 07.05.2018 im Gerhardinger-Saal der Dr.-Johanna-Decker-Schulen statt: Englisch aus der Feder von William Shakespeare und Grzegorz Szlanga, polnisch aus der Originalfassung des Stücks, die im polnischen Chojnice entstand, und deutsch – als Brücke zum deutschen Publikum.

_DSC_8103_web_romeoEin faszinierendes Spiel mit dem berühmtesten Shakespeare-Stück und Workshops fürs Schultheater gab es vor kurzem in Amberg zu erleben. Beim Nationalen Theaterwettbewerb Polens und beim Internationalen Festival in Police wurde das Stück „Romeo and…“ mit Preisen ausgezeichnet.

Grzegorz Szlanga, der Leiter der polnischen Theatergruppe Studio Rapsodyczne, schickte der Vorstellung ein kurzes Vorwort voraus, in dem er das Stück theatertheoretisch einordnete. Er stellte fest, dass in Polen die Richtung des Dekonstruktivismus im Theater gerade eine bedeutende Rolle spiele – also die Methode, existierende Werke auseinanderzunehmen, um durch eine Neuinterpretation der Einzelteile und eine Veränderung des Blickwinkels eine neue Sicht auf das Gesamtwerk zu gewinnen.

So war Szlanga auch mit dem Ausgangspunkt dieses Abends verfahren: Shakespeares berühmte Tragödie „Romeo und Julia“ bildete den Hintergrund, auf dem sich die Szenencollage „Romeo and …“ entwickelte. In der kurzen, doch darstellerisch höchst intensiven Aufführung erhielten die Zuschauer einen neuen, tief gehenden Einblick in die Seele Romeos.

Am Anfang stand – wie in Shakespeares Original – ein reichlich unsympathischer _DSC_8118_web_romeo+flipchartRomeo: Eingebildet und oberflächlich, geradezu rücksichtslos im Umgang mit den jungen Frauen, deren Herzen dem gutaussehenden Jüngling aus gutem Hause nur so zufliegen. Diese schroffe, macho-hafte Seite Romeos verkörperte Dominik Gostomski ebenso überzeugend wie die Wandlung seiner Persönlichkeit, als ihn die wahre Liebe trifft.

Assistiert, ermahnt, gescholten und getröstet von seinem Bühnenpartner, dem Regisseur, Mentor, Priester, Vater, gespielt von Grzegorz Szlanga, wendet sich Romeo an einzelne Frauen im Publikum. Er spricht sie an und spielt mit dem Gedanken, sich in sie zu verlieben – skizziert auf einer Art Flipchart ein krudes Porträt, notiert Namen … bis er schließlich auf eine „Julia“ stößt – und sich sichtbar, fühlbar in sie verliebt. Die für das Publikum spürbare Sensibilität, mit der beide Darsteller auf die Situation und auf die bei der Einbeziehung von Zuschauerinnen unausweichlichen Überraschungen reagierten, ging unter die Haut, berührte und öffnete die Augen für die Gefühlswelt dieses Romeo.

_DSC_8132_web_romeo-gets-poisonAuch dieser Romeo verlangt schließlich nach einem Fläschchen Gift – doch nicht, um mittels eines Tricks zu überleben, sondern um seinem Leben aus Verzweiflung ein Ende zu setzen. Die ausdrucksstarke und glaubhafte Verkörperung des Romeo sowie die zwischen Spott, Ironie und Mitgefühl wandernde Haltung des älteren Partners lösten echte Bewunderung beim Publikum aus, und die Beifallsstürme waren offensichtlich ebenso ehrlich gemeint.

Die polnische Gruppe hatte den Weg nach Amberg gefunden, weil eine Lehrer- und Schülerinnengruppe des Decker-Gymnasiums vor sieben Jahren im Rahmen eines Comenius-Projekts in Chojnice gewesen war und dort Szlanga als Theaterworkshopleiter erlebt hatte. Der persönliche Kontakt zu Studiendirektor Peter Ringeisen war seitdem nicht abgerissen, und als Studio Rapsodyczne mit „Romeo and…“ nun zum Internationalen Theaterfestival in Donzdorf eingeladen wurde, lag Amberg gewissermaßen auf dem Weg.

Die Anwesenheit der Schauspiel-Profis wurde von einer Kooperation aus DJDG und GMG genutzt, um auch die Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen profitieren zu lassen. Am Montag fanden zwei Workshops für Theaterspielerinnen am DJDG statt, am Dienstag zwei Workshops am GMG. Die Zusammenarbeit der jeweiligen Spielleiter, Claudia Ried und Christoph Schulz vom GMG und Peter Ringeisen vom DJDG, ermöglichte diese Theaterbegegnung der besonderen Art. Die Schülerinnen und Schüler beider Schulen waren begeistert von den je 90-minütigen Workshops, in denen es um die Grundlagen des Theaterspiels aus der Sicht der Profis ging: Was ist der Unterschied zwischen „so tun, als würde man etwas spielen“ und „etwas wirklich spielen“? Damit ging es schon mal los – und auf diese Kluft zwischen echt und unecht kam man im Laufe der Übungen immer wieder zu sprechen. Dass das Wesentliche ist, ein Gefühl erst einmal im Inneren zu spüren, bevor man spricht oder handelt, diesen Grundsatz hatten alle bald verinnerlicht – und Theaterschüler und -lehrer hoffen, dass der Kontakt zu Grzegorz Szlanga und seiner Truppe keine einmalige Sache bleibt, sondern in einem oder zwei Jahren fortgesetzt wird.

Peter Ringeisen, Spielleiter am DJDG

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MRG: „Der Besuch der alten Dame“

[MRG, 19.04.2018] Einmal reich sein. Davon träumen viele Menschen. So auch die Bürger der Stadt Güllen. Früher ist alles besser gewesen, darüber sind sich die Stadtbewohner (überzeugend: Samara Stapler, Nina Ringer, Nadja Rein und Paula Keppler) einig. Mittlerweile ist der Pfändungsbeamte (authentisch gespielt: Greta Reber) ein unbeliebter Dauergast in dem verarmten Nest. Hoffnung geweckt wird durch die Ankündigung des Besuchs der Milliardärin Claire Zachanassian (überragend und brillant gespielt von Julia Wenkmann), einer ehemaligen Bürgerin. Nicht nur die Stadtbürger, sondern auch der Bürgermeister (hervorragend: Lea Eckert), die Lehrerin (mitreißend dargestellt von Jana Zinnbauer), der Pfarrer (lebendig: Alexandra Schwarz) und ihr ehemaliger Geliebter Alfred Ill (ausdrucksstark: Silas Klemm) planen eifrig einen angemessenen Empfang. Helle Aufregung macht sich breit, als der Schnellzug außerplanmäßig in der Stadt hält. Schon bald jedoch schlägt die mit dem Aufenthalt verbundene Hoffnung in Verwunderung über das merkwürdige Verhalten der Milliardärin um. Nach dem Motto „Geld regiert die Welt“ tritt sie als männerverbrauchende, machthungrige und rachsüchtige Schicksalsgöttin auf. Zum Erstaunen aller hat sie nicht nur einen mit Geld um sich werfenden Butler (überzeugend: Lia-Maline Müller), sondern auch, wie es alltäglich ist, einen Sarg im Gepäck.

Ja, durch Alfred Ills Hilfe soll alles in Güllen besser werden, denn in ihm ruht die Hoffnung darauf, dass die Milliardärin den Glanz der guten alten Zeit in die Stadt zurückbringt. Hat er es doch vor 45 Jahren auch geschafft, sie um den Finger zu wickeln. Doch das gemeinsame Schwelgen Claires und Alfreds in Erinnerungen schlägt bald um. Freut sich Alfred noch über das versprochene Geld, wird er bald von seiner Vergangenheit eingeholt. Die junge Claire ist damals von ihrer Jugendliebe Alfred Ill schwanger geworden, jedoch hat dieser vor Gericht die Vaterschaft verleugnet. Gedemütigt und verarmt hat die Frau daraufhin Güllen verlassen und ihr Glück in der großen, weiten Welt gesucht. Claire ist nun durchaus bereit, ihrer Heimatstadt mit einer Milliarde unter die Arme zu greifen mit der Absicht, sich damit Gerechtigkeit zu erkaufen. Doch stellt sie eine unmoralische Bedingung: Die Stadt erhält das Geld nur, wenn jemand Alfred Ill tötet. Die Bürger reagieren, wie man es erwartet, zunächst mit großer Empörung. Jedoch zeigt sich, dass die Güllener nach und nach von dem verlockenden Reichtum verführt werden und Verständnis für Zachanassians Plan zeigen. Nicht nur die Polizistin kauft sich blaue Schuhe (ausdrucksstark: Hanna Schallmeier), der Pfarrer investiert in eine neue Kirchenglocke und Ills Frau (überzeugend: Laura Taller) modernisiert den Krämerladen. Nun scheint all dies auf Kredit möglich zu sein. Jeder möchte von dem Kuchen ein Stück abhaben, aber niemand möchte sich seine Finger schmutzig machen und den dafür notwendigen Mord begehen. Es folgt eine verdeckte Hetzjagd, symbolisiert durch anonymisierende weiße Masken, auf den misstrauischen Ill, der bei jedem Anzeichen des Wohlstandes den nahenden Tod spürt und die Hoffnung auf Rettung schließlich aufgibt. Selbst die Presse (gekonnt: Maximilian Maier) zeigt Interesse für die merkwürdigen Geschehnisse in dieser verkommenen Stadt. Verurteilt bei einer Bürgerversammlung, stirbt Alfred Ill. War es ein Gemeinschaftsmord oder war der Herzstillstand eine Folge des Stresses? Die Interpretation ist dem Zuschauer selbst überlassen.

Der Theatergruppe des Max-Reger-Gymnasium unter der Leitung von Bianca Rauchenberger und Nina Kohl gelang mit ihrem wunderbaren und flott gespielten Stück, bei dem die Mitwirkenden offensichtlich große Spielfreude und Engagement zeigten, eine moderne Umsetzung von Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Die dargestellte Thematik, welche Macht das Geld über die Gesellschaft und den einzelnen Menschen hat, ist nach wie vor aktuell und regt den Zuschauer zum Nachdenken an. Die Schauspieler, tatkräftig unterstützt durch die Regieassistentin Magdalena Probst und die Techniker Katharina Wenkmann und Johannes Trummer, verkörperten ihre Rollen überzeugend und wuchsen über sich hinaus.

Katharina Augustin und Brigitte Bodensteiner, Spielleiterinnen/FXvS-RS

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EG: „Die Atriden, Iphigenie und ich“

Freie Interpretation nach einem Bühnenstück von Helga Eham

Heut gibt’s a Rehragout

[EG, 18.04.2018] Einen Blitzkurs in griechischer Mythologie präsentierte das Oberstufentheater des Erasmus-Gymnasiums seinem gespannten Publikum am Mittwochabend. In „Die Atriden, Iphigenie und ich“ führten die zehn jungen Schauspieler ausgesprochen kreativ und in flottem Tempo durch die blutige und  turbulente Familiengeschichte der legendären Atriden. Ein manipuliertes Bobbycar-Rennen, ein Hauch Kannibalismus und eine wilde Zeche im griechischen Biergarten – da blieb dem Publikum kaum Zeit zum Atemholen, dafür aber umso mehr Gelegenheit zum Schmunzeln.

So sorgten der sächselnde Agamemnon (wundervoll glaubwürdig: Johannes Fischer v. Weikersthal) und sein königlicher Bruder Menelaos (Urbayer Michael Meckl) für viele Lacher, ehe sie – unterstützt vom externen Ziehharmonikaspieler Sebastian Eck – die Ode „Heut gibt’s a Rehragout“ anstimmten. Nachdem noch einige Missverständnisse mit Jagdgöttin Artemis (Sarah Kopf) geklärt werden mussten, wurde in Windeseile Rache an Paris geübt, Troja zerstört und rasch noch Menelaos Tochter Iphigenie (selbstbewusst und überzeugend gespielt von Diana Seifert) geopfert. Lisa Metz führte die Zuschauer als Erzählerin durch das Stück und schaffte es, einen Überblick über die wirren Verwandtschafts- und Feindschaftsverhältnisse der Atriden zu bewahren und zu vermitteln.

Auch im weiteren Verlauf des Stücks wird nun dem Atridenfluch Rechnung getragen: Menelaos wird im Bade von seiner Frau (Alina Wild) und deren Liebhaber (Mona Trautmann) ermordet, woraufhin Orest den Tod seines Vaters rächt. Da er damit aber den Fluch der Rachegöttinnen auf sich zieht, sucht er Rat beim Orakel in Delphi. Dort wird er von der Vorzimmerdame (Patricia Kölbl) anfangs ziemlich kühl behandelt, obgleich er doch als Adresse „Palaststraße 1 bis inklusive 48“ angibt. Erst der Hinweis, ein Privatpatient zu sein, lässt ihn zum Ehrengast werden und direkt zum Orakel (mitreißend neurotisch: Lea Forster) vorstoßen. Deren Ratschläge sind zwar eher wirr und von manischem Lachen untermalt, doch Orest schafft es dennoch, die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen – und gleichzeitig seine langvermisste Schwester Iphigenie auf Tauris wiederzutreffen. Zwar sind nicht alle Wächter (Antonia Nickel) auf Fortbildung, aber dennoch darf das Stück mit einer gelungenen Flucht auf dem Segelboot enden.

Kurz, aber ganz besonders kurzweilig war diese Inszenierung frei nach einem Stück von Helga Eham, die Schulspielleiterin Dr. Veronika Schweighart mit ihrer Truppe und der Unterstützung von Christina Schleicher auf die Beine stellte. Überraschende und ausdrucksstarke Elemente wie ein pantomimischer Tanz, Maskenspiele und die wohlplatzierte Musik rundeten die Vorstellung ab. Der Applaus war daher lange und wohlverdient.

Claudia Ried, Spielleiterin/GMG

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GMG: „Räuber. Schiller für uns.“

Schiller lebt. Erfrischend moderne Aufführung von Schillers „Die Räuber“ im GMG

[GMG, 17.04.2018] Der Theatergruppe der Oberstufe des Gregor-Mendel-Gymnasiums unter der Leitung von Christoph Schulz gelang es  in bravouröser Weise, ein Werk von Friedrich von Schiller wieder lebendig werden zu lassen, in die heutige Zeit zu transportieren und in einer temporeichen und furiosen Umsetzung dem begeisterten Publikum die Essenz des klassischen Stoffes auf sehr unterhaltsame Art  greifbar zu machen. Modern und weiblich, so die Adaption des Klassikers „Die Räuber“. Schillers Räuberhauptmann Karl Moor mutiert zur charismatischen Charlotte Moor (einfach überragend: Isabella Graf). Und Franz, Bruder von Karl, wird in der modernen Version zur eifersüchtigen und missgünstigen Schwester Franziska (sehr überzeugend und präsent verkörpert von Valeria Lagutina). Schillers treue Amalia verwandelt sich zum köstlich verklemmt und schüchtern wirkenden Volker (Leon Rohrwild), der  Ex-Freund von Charlotte, der immer noch an ihr hängt, aber an dem Franziska Gefallen gefunden hat, so dass er mehrere Avancen ihrerseits erdulden  und sich ihrer erwehren muss.

In Marlene Skalas Bearbeitung werden die männlichen Originalvorlagen zwar durch weibliche  zeitgenössische Rebellen ersetzt, hinsichtlich Gewaltbereitschaft, krimineller Energie und Idealismus stehen sie ihren literarischen Brüdern in nichts nach. Mit ihrer Bande hat sich Charlotte in einer alten Fabrikhalle eingenistet. Zur Mädchengang gehören die Materialistin Spiegel (toll und eindringlich: Tamara Lindner), die verkrachte Schauspielerin Nelly (einfach grandios: Judith Bäßler), die das Geschehen mit Original-Schillerzitaten begleitet und würzt, die Feministin Waltraud (stark: Valeria Maas), die fanatische Fundamentalistin Grimm (sehr ausdrucksstark: Johanna Lucks bzw. Clarissa Cizek in der Filmeinspielung), die frustrierte Sozialarbeiterin Alice (gekonnt: Jennifer Bektimirov), die Kleinkriminelle und Jüngste in der Bande Sam (überzeugend: Aurelia Ziegler) sowie die total durchgeknallte Computerspezialistin E.T., die von Carolin Spieß sehr authentisch und eindrucksvoll verkörpert wurde.

Auch die Nebenrollen waren stark besetzt. Lea Braun spielte Ruth, die Freundin von Franziska und Charlotte, Dorothea Niller die Kommissarin und Peter Netta mimte in seinen Rollen den Polizisten, einen GSG9-Beamten und eines der Monster.

Die Handlung der Stücks folgte im Wesentlichen dem Original. Lotte, die ihr Ausbrechen aus der bürgerlichen Gesellschaft mittlerweile bedauert und die Bande eigentlich verlassen will, wird von ihrer eifersüchtigen und intriganten Schwester Franziska, die sich um Charlottes Freund „kümmert“, an einer Rückkehr durch gefälschte Briefe an ihren Vater Maximilian Moor (in seiner Eigensüchtigkeit überzeugend dargestellt von Johannes Altmann) gehindert. Daraufhin schwört Charlotte endgültig ihren familiären Bindungen ab und wendet sich ganz dem illegalen Leben mit ihren dubiosen und in ihren Einstellungen recht fragwürdigen Bandenmitgliedern am Rande der Gesellschaft zu. So unterschiedlich die jungen Leute um Charlotte allerdings sind, so unterschiedlich sind auch ihre Beweggründe, sich in dieser Bande zusammen zu schließen, was schon bald zu existentiellen Interessenskonflikten führt und die Gruppe in eine ausweglose Situation bringt. Gerade hier prallen die Charaktere aufeinander – und das alles kommentiert von der Schauspielerin Nelly, die stets ein Reclam-Heft mit sich herumschleppt und auf Schritt und Tritt Schillers Sprachschätze gekonnt rezitiert. Als Charlotte die Gruppe verlassen will, fühlen sich alle im Stich gelassen. Ein gemeinsamer Coup, dem die Guten nur zustimmen, weil sie sich ausmalen, was sie mit dem Geld alles tun können, soll die Bande zusammenhalten. Doch die Situation eskaliert, und im Räuberlager entbrennt ein Machtkampf zwischen Geldgier, Gewalt und falsch verstandenem Heldentum.

Schiller, würde er heute noch leben, wäre am Ende sicherlich begeistert gewesen, und alle, denen der Zugang zu klassischen Stücken bisher fehlte, waren es mit Sicherheit auch.

Das äußerst anspruchsvolle und eigentlich recht textlastige Stück wurde mit einer unglaublichen Spielfreude umgesetzt und einem begeisterten Publikum präsentiert, das sich zum Schluss mit viel Applaus für diesen kurzweiligen Abend bedankte.

Winfried Sima, Spielleiter FOS/BOS

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DJDG: „Mord auf Tele 1“

Mord auf Tele 1 – pointenreicher „Whodunit“ am DJD-Gymnasium

[DJDG, 14.03.2018] Sie denken, Ihr Chef hätte wirklich einige unangenehmen Seiten? Dann haben Sie Harry Hagen noch nicht kennengelernt. Wenn der Programmleiter des qualitätsfreien Privatsenders Tele 1 die 10-Uhr-Konferenz leitet, vergeht keine Minute ohne fiese Tiefschläge, anzügliche Kommentare und widerliche Bösartigkeiten jeder Art. Seine vernichtenden Bemerkungen bekommt nicht nur die Praktikantin ab (Sybille Krestel versteckt hinter der oberflächlichen Knopf-im-Ohr-Jugendlichen geschickt das später enthüllte ernste Anliegen der Figur). Die Redakteurin (durch und durch die professionelle Journalistin: Julia Bäuml) oder die Nachrichtenmoderatorin, aber auch die beiden Reporter werden allesamt Zielscheibe des grenzenlosen Spotts eines echten Ekels.

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Harry Hagen spießt Schwächen seiner Mitarbeiter gnadenlos auf.

Zwei wunderbare Videoeinspielungen zeigen uns dabei, dass Harry Hagen durchaus Grund zur Kritik hat – man lässt im Sportfernsehen den Trainer nicht fünf Minuten ungeschnitten existentialistische Philosophie zum Besten geben (herrlich beredt: Sarah Dimpfl als durchgeistigte Sartre-Epigonin; später als Notärztin ganz professionell). Und wer auch im siebten Anlauf „Tadschikistan“ nicht über die Lippen bringt, ist vor dem Teleprompter fehl am Platz (Theresa Flierl ganz stark als ebenso schickes wie grenzenlos naives TV-Dummchen).

Lena Gimpl gestaltet den fiesen Harry, der alles der heiligen Quote unterordnet, sehr schön – in den wenigen Minuten, die ihr auf der Bühne beschieden sind. Denn schon in der ersten Szene stirbt Harry Hagen – für den Giftmord gibt es jede Menge Motive und alle werden zu Verdächtigen.

elu-F46T0268Aber bevor die Kommissarin die Ermittlungen aufnehmen kann, wird erst der Tote untersucht und weggeschafft – natürlich bei laufender Kamera, denn so ein Mord könnte doch die Quote mal so richtig pushen. Sabrina Wittmann als Gerichtsmedizinerin, Magdalena Neidl als Kriminaltechnikerin und Sophie Wittmann als Sanitäterin sorgen dafür, dass die Leiche auf der Bühne kein Stimmungskiller wird.

Poschmann, der jung-dynamische Reporter, bringt dann die Ermittlungen ins Rollen. Mit den Tricks des Schmuddeljournalismus ist er oft der Polizei ein paar Schritte voraus. Eluisa Uzana, ganz kurzfristig eingesprungen, macht das sehr routiniert. Die grippekranke Erstbesetzung (Annalena Vogel) durften die Zuschauer immerhin in einer der Videoeinspielungen genießen. Der Kontrast ist das Reporter-Urgestein Rudi Hoppe. Johanna Hoffmann zeigt uns sehr überzeugend einen verwirrten Alten, der wohl noch nie auf der Höhe der Zeit war und jetzt vollends zur Lachnummer geworden ist.

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Polizeimeister Schär hat seine Augen überall – auch bei Sprecherin Alina Weber.

Mit dem Auftritt der Polizei erreicht die Kunst des Pointen-Servierens ihren Höhepunkt. In vielen kleinen Szenen spielen sich Anne Winter als Wachtmeister Schär und Clara Dressler als Kommissarin mit präzisem Timing die Bälle zu: Der Wachtmeister, immer nahe dran am Geschehen und vor allem an den weiblichen Zeugen wie Verdächtigen, nie um eine dumme Bemerkung verlegen und in Sachen Selbstbewusstsein und Ahnungslosigkeit nicht zu schlagen. Und die Kommissarin, superunterkühlt und immer Herrin der Lage, die ihn jedes Mal mit spitzer Zunge wieder in die Spur bringt („Die schicken Damen sind jetzt draußen. Sie müssen den Bauch nicht mehr einziehen.“). Zusammen mit den Damen und Herren vom Sender entsteht so eine dichte Folge komischer Momente.

Damit die Zuschauer in der Vielzahl der Mordmotive nicht den Überblick verlieren, geleitet die Putzfrau des Senders durch das Stück. Laura Brugger brilliert hier mit genial verworrenem italienisch-deutschem Kauderwelsch.

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Polizeimeister Schär und Kriminalkommissarin Christina Martini – Gegensätze ergänzen sich.

Aber wer ist der Mörder? Nein, nicht die Praktikantin, die in Harry Hagen den Vater zu erkennen glaubt, der ihre Mutter sitzen ließ. Nicht der dynamische Reporter, dem Harry die süße (aber doofe) Freundin ausgespannt hat. Nicht die souveräne Journalistin, die von ihm aus der Redaktionsleitung katapultiert wurde. Nicht der alternde Hoppe, dem er kündigte. Und auch nicht die einfach strukturierte Nachrichtenmoderatorin, mit der Harry zwar durchaus ein nicht streng berufliches Verhältnis hatte, der er aber trotzdem ein vernichtendes Arbeitszeugnis schreibt.

So war diese Mordsgeschichte ein sehr vergnüglicher Theaterabend, auch dank der perfekten Lichtregie (Madeleine Höreth). Glückwunsch an die pfiffige Truppe und ihren Spielleiter Peter Ringeisen (der auch als Pressesprecher der Polizei eine richtig gute Figur machte). Die Zuschauer dankten mit viel Applaus.

PS: Die Mörderin war übrigens die Putzfrau. Harry Hagen hatte durch widerliche Berichterstattung erst die Karriere und dann das Leben ihrer Tochter ruiniert. Da allerdings die Beweislage dünn ist und die Redaktion in ungeahnter Einigkeit Zeugenaussagen verweigert, kommt es nicht zu einer Anklage.

Christoph Schulz, Spielleiter GMG

Bilder: Bernd Müller (von der Auftaktveranstaltung im Stadttheater – danke!)

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