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Das heimische Bier als Zaubertrank

[FOS/BOS, 06.04.2017] Was geschieht, wenn im Himmel Langeweile herrscht, Gott sich amtsmüde fühlt und der Teufel schon keine Lust mehr hat, die Sünder zu quälen:  Richtig, eine Wette muss her! Ungefähr 200 Jahre nach Goethes „Faust“ präsentierte die Theatergruppe der FOS/BOS  unter der Regie von Winfried Sima eine erfrischend freche, sehr amüsante und sehr moderne Fortsetzung des Klassikers mit dem Stück  „Faust – Der Tragödie neuester Streich“.

Eingestimmt wurde das Publikum durch das Vorwort des Theaterdirektors, stark und souverän gespielt von Thomas Stahr, der die Bühne freigab, dem anwesenden Publikum gleich die Marschrichtung anzeigte und es anleitete, mit viel Fantasie dem Schauspiel zu folgen. Was folgte, war eine fortschrittliche Fassung des alten Dualismus zwischen Gott, sehr ausdrucksstark verkörpert von Pilipp Weiß, und dem Teufel, grandios, ausdrucksstark, mit viel Witz und Ironie gespielt von Nina Heinicke.

Leidtragender der Wette ist dieses Mal der Ur-Ur-Ur-Urenkel von Heinrich Faust, ein frustrierter Gymnasiallehrer, der wieder einmal den Sinn des Lebens zu ergründen versucht und mit dem Teufel einen Partner zur Seite gestellt bekommt, um sich diesem Ziel zu nähern. Dennis Altenhof verkörperte die schwierige und anspruchsvolle Rolle des Faust und begeisterte mit seinem darstellerischen Geschick, vor allem im Zusammenspiel mit Nina Heinickes Mephisto, das Publikum ein ums andere Mal.

Faust-BildDer Zaubertrank, der hier zum Einsatz kam, wies besonderes Lokalkolorit auf: er wurde, nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut, von der Brauerei Bruckmüller geliefert (Anton Bruckmüller hatte die Bayerischen Schultheatertage in Amberg eine Woche zuvor als Hauptsponsor unterstützt); mit dem Versprechen, der Zaubertrank könne die Liebe zwischen zwei Menschen bewirken, versucht der Teufel, Faust mehrmals zu manipulieren und seine Liebeswünsche zu erfüllen, was jedoch stets misslingt. Denn Faust soll sich in seine Kollegin Schwertlein (von Sophie-Marie Engelbrecht wunderbar selbstbewusst und lebensecht gespielt) verlieben, aber der von Jakob Kantana sehr dynamisch verkörperte Sportlehrer kostet versehentlich vom magischen Gerstensaft und … verliebt sich sogleich in Faust, der sich daraufhin vor dem Sportlehrer retten muss.

In seiner Verzweiflung beabsichtigt Faust, seinem Leben mit einem Giftgetränk ein Ende zu setzen. Nur durch das göttliche Einschreiten kann er daran gehindert werden, denn statt des Gifts verabreicht Gott dem Faust erneut Gerstensaft, der ihn dann in einen tiefen Schlaf fallen lässt, aus dem ihn ein frech gewitzter Schüler aufweckt, der von Sophie-Marie Engelbrecht gespielt wurde (ebenso überzeugend in ihrer zweiten Rolle).

Als Faust mit dem Teufel endlich brechen will, begegnet ihm das von Sophie Feja herrlich forsch, teilweise naiv gespielte Gretchen. Das Mädchen verliebt sich aus freien Stücken, also ohne Zaubertrank, in den attraktiven und gewandten Faust – doch da ist auch noch ihre stockkonservative Mutter (sehr gut mit osteuropäischen Akzent dargestellt durch Theresa Kotz), die in dieser Beziehung ein Machwerk des Teufels sieht und den Teufel arg in Bedrängnis bringt. Am Ende jedoch siegt die wahre Liebe zwischen Gretchen und Faust, und auch der Teufel muss einmal mehr die Macht und Größe Gottes zähneknirschend zur Kenntnis nehmen.

Der Vorhang fiel und das Publikum applaudierte, so dass der souverän agierende Theaterdirektor zu einer Zugabe veranlasst wurde. Die dafür erbetene dreiminütige Pause, in der die letzte Szene einstudiert wurde und die dem Publikum den eigentlichen Theaterbetrieb vor Augen führte, nutzte die Theatergruppe für ein sehr gelungenes Improtheater, um Gott und den Teufel zu versöhnen und dann wieder an den Anfang des Stücks überzuleiten. In der Rolle des Engels begeisterte wiederum Jakob Kantana das Publikum durch seine Gitarrensolos und durch seine unbekümmerte und liebenswürdige Art. Mit dem abschließenden Kommentar des Teufels: „Mann, ist das langweilig hier“ schloss sich der Kreis, und das Publikum dankte für die begeisternde Vorstellung mit tosendem Applaus.

Insgesamt bot die Theatergruppe trotz wenig Requisiten und Bühnenbildern ein sehr unterhaltsames und sehr komödiantisches Stück, das den Fauststoff recht frei interpretierte und die Thematik mit einem Augenzwinkern in die heutige Zeit transportierte.

Peter Ringeisen, DJDG

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Gott ist ein Franke!

Die Theatergruppe der FOS/BOS überzeugte mit ihrem kritischen Stück „Wie der Frau Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ ihr begeistertes Publikum

 In einer abgeänderten Bühnenfassung von Peter Weiss präsentierte die Theatergruppe der FOS/ BOS grandios dieses immer noch zeitgemäße Stück am Donnerstag einem begeisterten öffentlichen Publikum und am Freitag nochmals den Schülern ihrer Schule, die es ihnen mit einem großen Applaus dankten.

Fast wie in Kafkas „Der Process“ ereilt die unbescholtene Frau Mockinpott, in einer Doppelbesetzung überzeugend von Nina Heinicke und Sophia Gräfenhahn gegeben, ein Schicksal mit Dominoeffekt. Sie wird ohne Angaben von Gründen verhaftet und für einige Tage ins Gefängnis gesperrt, wo sie der Amtmann (Sophia Feja) finanziell ausnimmt. Wieder daheim wird sie von ihrem Mann (Sergej Pahl) wegen einer anderen verlassen und ihr Arbeitgeber, kaltschnäuzig gespielt von Sophie Feja, feuert sie. Doch anders als Josef K. in Kafkas Roman ergibt sich Frau Mockinpott nicht ihrem Schicksal – sie stellt Fragen. Begleitet von der kunterbunt gekleideten und damit aus der Rolle der Gesellschaft fallenden Frau Wurst, wunderbar verrückt von Theresa Kotz gespielt, macht sich Frau Mockinpott auf den Weg, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum sie all das erleiden muss und ob das gerecht sein kann.

Die erste Instanz, der sie gegenübertritt, ist die Medizin. Ein völlig durchgeknallter Arzt (Robert Schneider) unterzieht sie zusammen mit zwei Pflegern (Ahmad Mohamad Adris und Ali Mohammed) einem „Sehtest“, bei dem sie kläglich versagt, weil sie eben nicht das sieht, was von ihr erwartet wird. Es folgt ein blutiger operativer Eingriff, der sie wieder auf die richtige Bahn bringen soll. Doch der schlägt fehl, denn als sie erwacht, konfrontiert sie sofort Frau Wurst mit ihren bleibenden Fragen. Diese schleppt sie zur nächsten Instanz, der Regierung, die ja schließlich die Gesetze macht und das Strafmaß festlegt. Soldatenmäßig marschieren die Regierungsmitglieder (Sophie-Marie Engelbrecht, Sergej Bahl und Olga Wildt) bewaffnet mit Barhockern ein und beginnen mit ihrer Tätigkeit. Doch auch hier erhält Frau Mockinpott alles andere als Antworten. Mit Blabla und Floskeln, die jedes Mal mit frenetischem Selbstapplaus unterstrichen werden, bügeln die drei Regierungsmitglieder die in einem Barhockerkäfig gefangene Frau Mockinpott nieder und zerstören ihren symbolisch für ihr Leben stehenden Regenschirm weiter. Die angekündigte Regierungserklärung, a cappella von der gesamten Gruppe mit Cajon-Begleitung gerappt, bleibt eine floskelhafte Farce, die keine Lösung bietet. Frau Wurst weiß Abhilfe und verweist auf die höchste aller Instanzen: Gott. Und so machen sich die beiden Frau Mockinpotts und Frau Wurst auf den Weg zum Schöpfer. Im Himmel werden sie von schrägen, a-melodischen Himmelsklängen begrüßt, die schon erahnen lassen, dass auch hier kein Ausweg naht. Der anfangs völlig unauffällige Putzmann (Thomas Stahr) entpuppt sich als Gott selbst, der im tiefsten Fränkisch beteuert, dass er die Nase von den Anklagen der Menschen voll habe, die den Karren ja schließlich selbst in den Dreck befördert hätten. Die Antwort aller Antworten gibt sich Frau Mockinpott schließlich selbst. Sie erkennt, dass sie sich nicht auf die Wissenschaft, die Politik oder die Religion verlassen kann, sondern nur auf sich selbst. Mit einer gewaltigen Stimmskulptur skandiert die komplette Schauspielgruppe, dass „Anstand, Herz und Verstand“ die Dinge sind, die den Menschen weiterbringen. Beglückt erhalten die beiden Mockinpott-Darstellerinnen ein neues Leben in der Form eines Regenbogenregenschirms.

Mit einem minimalistischen Bühnenbild, in dem alle Bestandteile selbst zum Teil des Spiel wurden, und fantastischen Choreinlagen, die zentrale Aspekte der Aussage unterstrichen, schaffte es die FOS/BOS-Theatergruppe wieder einmal ein äußerst aktuelles wie auch unterhaltsames Stück unter der Leitung von Burkhart Häusler und Winfried Sima zu inszenieren. Man darf gespannt sein, welche Produktion im nächsten Jahr dem Publikum einen kurzweiligen Abend verschafft.

Diana Schneider (MRG)

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Belauschen am lauschigen Balkon: Hohe Spielkunst bei FOS/BOS

Was die Theatergruppe der FOS/ BOS in der voll besetzten Mehrzweckhalle der Schule präsentierte, war mehr als Laientheater von Schülern – es war hohe Spielkunst. So hatten sich die beiden Regisseure Burkhart Häusler und Winfried Sima an ein ganz modernes Stück gewagt: „Balkonszenen“ von John von Düffel, amtierender Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin.

Dennis Altenhof zog das Publikum bereits mit dem ersten Schritt auf die Bühne als Ansager in seinen Bann und versprach, dass die Zuschauer Zeuge eines Stücks werden würden, das eigentlich nicht als solches gesehen werden darf, sondern eher als eine Reihe loser durch Raum und Zeit verbundener Szenen. Der Ort und die Zeit des Geschehens: der Balkon eines Hauses, in dem ein rauschendes Fest stattfindet. Meist in Zweier-, hin und wieder in Dreierpaaren flüchten sich verschiedene Gäste auf den Balkon und lassen die Zuschauer Zeuge ihrer Unterhaltungen werden, deren Hintergründe sich erst nach und nach erschließen lassen.

Schon in der ersten Szene wurde klar, dass sich die belauschenden Zuschauer nicht auf ihr erstes Urteil verlassen sollten, denn die beiden Frauenfiguren Alexandra, grandios gespielt von Theresa Linhard, und die Politikerin Simone, sehr facettenreich von Sophia Gräfenhahn gegeben, outen sich nach und nach als vermeintliches Liebespaar und machen damit erste Eindrücke zunichte. Nachdem Simone Alexandra verlässt, taucht Mr. Shade, mit betörender Hauchstimme von Igor Ewert gespielt, auf, und klebt der flüchtenden Alexandra nunmehr als anhänglicher Verehrer am Hosenbein. Dies führt vor allem im späteren Verlauf zu grotesken Situationen, als ein weiterer Verehrer Alexandra verführen möchte. Die nächsten Szenen führen weitere Charaktere ein, die ähnlich mit den Sympathien und Antipathien der Zuschauer spielen, indem erste Eindrücke durch weitere Informationen zerstört werden und klar machen, wie wenig man seinen Gefühlen trauen sollte. Reinhard, ebenfalls durch Dennis Altenhof mit fesselnder Mimik und Gestik gespielt, zeigt sich als „Kriecher“ vor seinem berechnenden Geschäftspartner, kaltschnäuzig von Lorenz Feja gegeben, und möchte um jeden Preis bei den anderen ankommen, auch wenn er sich dabei selbst sichtlich akrobatisch verbiegen muss. Jacob Katana überzeugt mit wahnwitzigen Verrenkungen als Mann, der seine verstorbene Frau im Ohr hört.

Der zuerst Mitleid erweckende, sich selbst erniedrigende Richard, empathisch von Chris Kurzweil gespielt, vergöttert Ruth, sehr beeindruckend von der stimmgewaltigen Theresa Kotz gegeben. Doch Ruths Zickereien und Beschimpfungen zeigen ein anderes Bild von Richard, der offensichtlich nicht der treu-doofe Partner der perfekten Frau ist, sondern vielmehr ebenfalls dunkle Seiten zu haben scheint. Gen Ende der ersten Hälfte kommen noch der desinteressierte Einzelkämpfer, herrlich apathisch von Devin Burris verkörpert, sowie die Journalistin, authentisch von Katharina Kraus gegeben, ins Spiel. Während die Reporterin die politischen Floskeln der emanzipierten Simone enttarnt, bringt der Einzelkämpfer den geldbesessenen Rüdiger, überzeugend von Lorenz Feja gespielt, durch sein Schweigen zum Reden.

Nach einer kurzen Pause, die von den Zuschauern zu ersten Diskussionen um die Bedeutung der Szenen genutzt wurde, präsentierte die schauspielerisch auf hohem Niveau agierende Truppe immer neue Gruppenkonstellationen aus den Charakteren. Trotz der typischen Züge der Figuren mussten die jungen Akteure auch andere Facetten an ihnen zeigen, was ihnen mit Bravour gelang. Neben Stimmskulpturen und pantomimischen Szenen fesselten die Schauspieler/innen ihr Publikum auch mit einer Live-Gesangs-Einlage und sorgten so für nachdenkliche, aber auch unterhaltsame Kurzweile bis zum Schluss. Die Zuschauer dankten es ihnen mit minutenlangem, stürmischem Applaus.

Diana Schneider (MRG)

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Keine Sekunde verschwendet

FOS/BOS, 10.04.2014, 19.30 Uhr

06_FOSBOS_Zeitlos-1Werden Sie Herr über die Zeit – mit diesem und anderen Slogans ködert die smarte Referentin Stroll  – perfekt verkörpert von Katharina Seifert – ihre Kunden. Schon beim Betreten des Spielorts wird der Zuschauer von Plakaten begrüßt: „Werden Sie effizienter“ und „Nur wer perfekt organisiert ist, ist auch erfolgreich“. Und die gläubige Gemeinde der Teilnehmer des Effizienzseminars unterwirft sich willig der Forderung nach totaler Kontrolle und Selbstdisziplin. Mit dabei sind unter anderem: Der junge Unternehmer, der die Anordnungen an seine Untergebenen genauso energisch ausspeit, wie er vor der Seminarleiterin buckelt und kriecht – und das später auch im Wortsinn. Mit vollem körperlichem Einsatz und sehr expressiv: Dennis Altenhof. Die Hausfrau, die sich auf ihren beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet und glaubt, sich deswegen den seltsamen Ritualen zur Zeitplanung und Effizienz unterwerfen zu müssen. Susanne Luber spielt die Furcht, den Anschluss an eine vermeintlich moderne Arbeitswelt zu verlieren, und den zunehmenden Orientierungsverlust in dieser schönen neuen Welt sehr schön aus. Der Journalist, dessen Redaktionsarbeit während des Seminars gnadenlos weiterläuft. Lorenz Feja gestaltet mit viel Einfühlungsvermögen einen Menschen, der sein Bestes geben will und dabei vom Zeitdruck immer mehr zerrieben wird.

06_FOSBOS_Zeitlos-2Eine dramatische Wende bekommt das Seminar, als ein starker Sonnensturm die Stromversorgung nebst Schließanlage lahmlegt. Keiner kann das Seminar mehr verlassen, die Präsentationstechnik funktioniert nicht mehr und alle Mobiltelefone sind zerstört. Was  die Teilnehmerin Natascha Rübe (wunderbar glaubwürdig als Facebook- und Twitterjunkie: Julia Tontch) in die völlige Verzweiflung treibt. Denn ohne dauernden digitalen Kontakt wird sie zum Aussätzigen in der Welt der sozialen Netze. Selbst die Beziehung zu ihrem Freund droht ohne minütliche Botschaften binnen kürzester Zeit zu zerbrechen.
Aber natürlich ist eine perfekte Zeitplanerin jederzeit in der Lage, unvorhergesehene Ereignisse zu integrieren. Auch den Ausfall aller Uhren. Und so fordert die Seminarleiterin, ein „Zeiterfassungsgerät“ zu konstruieren – in 7 Minuten 30 Sekunden. Eifrig gehen die Teilnehmer ans Werk und basteln aus Flaschen und Blumenständern eine Wasseruhr – eine gelungene Persiflage auf die beliebten Assessment-Center-Aufträge.
Doch die eigentlichen Schwierigkeiten, die der Stromausfall verursacht, werden so natürlich nicht behoben – auch nicht durch die Phrase der Referentin, es gebe nur Lösungen, keine Probleme. Jetzt ist es an ihr, an der realen Welt zu verzweifeln – und es schlägt die große Stunde ihrer Mitarbeiterin. Sie hat die Sprüche ihrer Chefin so verinnerlicht, dass sie sie selbst in den aberwitzigsten Situationen noch herunterbeten kann. Und jetzt sogar ihre Chefin damit wieder auf den Pfad der Erleuchtung – Verzeihung – Effizienz zurückbringt. Die fanatische Sekretärin wird von Michaela Ermold großartig verkörpert. In ihrem dogmatischen Glauben an die erhellenden Weisheiten ihrer Chefin könnte man die Rolle fast als Psychogramm eines Sektenmitglieds deuten.

06_FOSBOS_Zeitlos-3Und niemand da, der den Irrsinn durchschaut? Doch. Denn der alte Hausmeister wundert sich schon zu Beginn über die überall plakatierten Slogans. Verliert auch beim völligen Stromausfall nie die Ruhe. Löst Probleme nicht durch wohlklingende Managementsprüche. Sondern mit seinem Werkzeugkasten. Bietet echte Lebensphilosophie. Und seine alte Aufzieh-Uhr ist von keinem Sonnensturm zu beeindrucken.
Aber auch ein Seminarteilnehmer hat von Anfang an seine Zweifel. Cool, lässig, und immer unterwegs zur nächsten Anmache bringt er Leben in die sterilen Seminarwelt, reißt irgendwann sogar die Teilnehmerin Rübe aus ihrer digitalen Verblendung und provoziert sie zu echten und direkten Lebensäußerungen. Und die Darsteller der beiden (Simon Fischer und Igor Ewert) setzen mit ihrer Spielfreude und ihrer Bühnenpräsenz komödiantische Glanzlichter an diesem sich immer mehr in surreale Szenen und absurde Komik steigernden Theaterabend. Verantwortlich für die spritzige,  temporeiche, im Timing immer perfekte Inszenierung: Die wahren Herren der Zeit, die Theaterlehrer Burkhart Häusler und Winfried Sima. Die Zuschauer, in großer Zahl erschienen, waren begeistert – und hatten an diesem Abend sicher keine Sekunde ihrer Lebenszeit verschwendet.

Christoph Schulz

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Humorvolle, herzergreifende und handverlesene Heldengeschichten

… vom alten Rom, über die Märchenfigur Peter Pan und Super Marios Bemühungen, seine Peach zu befreien.

Die Berufliche Oberschule Amberg führte an zwei Abenden zum Thema „Helden“ unter der organi-satorischen Leitung Walter Harbauers und der Mitwirkung zahlreicher Kollegen der FOSBOS zwölf verschiedene Stücke auf, die das Publikum mit auf die Reise in faszinierende, vergangene und fiktive Welten nahmen: 186 Schülerinnen und Schüler begeisterten mit selbstgeschriebenen Texten und Parodien, zauberhaften Kostümen sowie aufwendigen Bühnenbildern und musikalischen Einlagen.

„Heroes“ (just for one day) von David Bowie leitete musikalisch die Moderation der charmanten Schülerinnen K. Schenkl und K. Gundel (BW13) ein, die mit pfiffigen Dialogen die inhaltlich facettenreichen Theaterstücke ansagten. Die aufwendige und technisch moderne Präsentation stellte zunächst nachdenkliche Überlegungen an, gesprochen von D. Hierl (FT12b), S. Stammler/Ch. Auerswald (FS12c): Ist es die gesellschaftliche Situation, die jemanden zum Helden werden lässt? Träumen nicht alle ein wenig vom Heldendasein? Und wer zählt eigentlich zu den Helden unserer Zeit? – Künstler? Schauspieler? Musiker? Oder sind doch eigentlich nur diejenigen Menschen zu nennen, die anderen in Krisenzeiten helfen: Notärzte oder Feuerwehrmänner beispielsweise?

In den Fragen eines lesenden Arbeiters versucht eine bemühte Schülerin (M. Ermold, FS11d) beim morgendlichen Frühstück ein geschichtliches Kreuzworträtsel zu lösen. Ihr zeitungsbegeisterter Vater (D. Hirschmann, FS11b) erklärt, dass Alexander der Große wohl kaum allein Indien erobert habe. Auch die Mutter (Th. Winkler, FS11b) spielt mit eingedrehten Lockenwicklern die akkurate Hausfrau und steht mit Rat und Tat zur Seite – Kohl wird schließlich doch noch erkannt, als Wegbereiter der Wiedervereinigung und als Gemüsesorte.

Schiller trifft Brecht verlangte nicht nur schauspielerisch einer talentierten Johanna von Orléans (St. Rascher, BWS12) einen dramatischen Tod ab, sondern erzählte zugleich auch die Geschichte der Johanna Dark (M. Ritz, BS12), die auf den Schlachthöfen Chicagos den Glauben an Gott näherzubringen versuchte – die streikenden Arbeiter (8) protestierten lautstark vor den Toren der Reichen und Mächtigen. Moderne Bilder und schwierige Szenen wurden flüssig und ausdrucksstark erzählt.Image

Gespielte Liebe kennt kein Game over enthielt selbstmusizierte Elemente und besonders aufwendige Requisiten. Super Mario wurde wiederbelebt, die Bühne galt hierbei als Computerbildschirm: Besonders effektvoll der Klempner Mario mit blauer Latzhose (N. Peter) und seine hartnäckigen Anstrengungen, die geliebte und süße Peach (D. Fischer) zu befreien – gelegentlich musste dabei allerdings gestorben werden – Game Over war jedoch überwindbar, denn die drei Spieler/innen (M. Akkoyun/J. Donhauser/N. Akar) hatten die Ruhe, ihr Glück erneut zu versuchen (alle FS12a).

Ein bisschen Wind wurde in der nächsten Heldengeschichte herbeigesehnt: Der Sprechgesang der zehntausendköpfigen Armee verdeutlichte, dass man die Götter mit einem Menschenopfer milde stimmen musste, um die Windstille endlich überwinden und nach Troja in See stechen zu können: Iphigenie (F. Schmeiler, FS12c/K. Piehler, FW13/Doppelrolle) findet sich schließlich mit ihrem Schicksal ab, tröstet die herrlich aufgetakelte Mutter Klytämnestra (St. Rascher, BWS12) und vergibt ihrem geliebten Vater Agamemnon (St. Meier, FW13), der sich pathetisch für das griechische Volk einsetzte – der Wind trägt die Armee jedoch schließlich alle in den Tod.

Die Hauptrolle des Stückes Kein Tag ohne Hahn war wegen der kurzfristigen Erkrankung eines Schülers spontan mit dem Lehrer Winfried Sima besetzt worden. Die pfiffige Fabel um die Tiere der Nacht und den Hahn Xaver sorgte für viel Amüsement – der schlaue Fuchs (S. Voigt, FS11c), die begriffsstutzige Fledermaus (A. Wegert, FS11c), die neunmalkluge Eule (N. Termer, FW11c) und die intrigante Ratte (S. Fischer, FS11c) zwangen die Amsel (J. Moebus, FS11c), ein gut gehütetes Geheimnis zu verraten: Nur wenn der Hahn kräht, wird der Morgen anbrechen. Da sich dieser jedoch in eine Fasanenfrau (K. Seifert, FS11c) verguckt hat, muss er sich gegen Vladimir, den Kampfhahn (J.-M. Müllner, FW11c) beweisen. Es dauert eine Weile, bis er erkennen wird, dass sein Platz doch inmitten seiner Eier legenden Hühner ist (K. Michelis, FW11c und Wegert/Voigt).

Der Brudermord Kain und Abel zeigt die Reue des älteren Bruders (S. Stammler), der aus Neid Abel (Ch.Auerswald, beide FS12c) erschlug und sich wünscht, seine Tat ungeschehen zu machen.

Romulus der Große (K. Hirschmann, BT11) wird von seiner Julia (J. Voss, FS11d) kritisiert, sich nur fürs Fressen, Saufen und Faulenzen zu interessieren. Doch der übertriebene Ehrgeiz seiner Gattin geht dem römischen Kaiser gewaltig auf die Nerven, denn genau dadurch will er das Imperium Romanum zugrunde richten. Eine friedliche Unterhaltung mit dem Germanenfürst Odoaker (F. Bieberstein, BT12a) über Hosen und gekosteten Spargelwein sowie ein lustiger Bote und Soldat (B. Galler/Ch. Wonneberger, BT11) fokussieren trotz humorvoller Passagen die Heldenthematik wieder kritisch.

Das bayerisch-sächsische Romeo und Julia 4.0 reloaded hatte den „Shakesbier“ einmal ganz anders umgedeutet: Im Kirwazelt und mit dem Slogan „Schönheit vergeht, Hektar besteht“ entscheidet sich zunächst unser Romeo (D. Ernemann) für die transsexuelle Julia (D. Schuller), die bestürzt das Weite sucht, als ihr schließlich klar wird, dass ihr Geliebter neben seinem besten Freund Guido (J. Heil, alle BW12b) aufwacht (und sich in ihn verguckt hat).

I am Pan! versetzt die zerstrittenen Protagonisten in die Menschenwelt, wo Verhaftungen und Ausgrenzungen die Folge sind. Der talentierte Peter Pan (K. Olival) begeisterte mit Tanzeinlagen und exzellenter Mimik das Publikum, der böse Kapitän Hook (S. Steininger) und das freundliche Krokodil (F. Siegert, alle FT12b) begegnen den Polizisten und den Greenpeace-Vertretern (S. de Santana, FT11c/B. Leikam/A. Welsch, beide FT12b) – ein Held im Märchen zu sein ist immer leichter als im wahren Leben.

Die nachdenklichen und wortgewaltigen Szenen aus Woyzeck zeigen einen verzweifelten Hauptprotagonisten (T. Raß, BS12), der von seinem Doktor (M.Stoinski, FS11c) drangsaliert wird und seine geliebte Marie (F. Schulze, BWS11) mit dem arroganten Tambourmajor (St. Brückner, FT11a) teilen muss. Als er von der Affäre erfährt, sticht er sie tot.

Die Querflöte lässt Tamino (D. Graßler) durch drei emanzipierte Prinzessinnen (E. Böpple/V. Haller/A. Brands) vor einem bösen Drachen (S. Streher) retten. Der Märchenerzähler (M. Kilimann) muss seine Darsteller jedoch immer wieder anweisen, rechtzeitig auf die Bühne zu kommen oder endlich auszuziehen, um die wahre Prinzessin vor dem Bösewicht (M. Kurz) zu retten. „Und wenn sie nicht gestorben sind, so rennen sie noch heute“ – denn die ersehnte Bekanntschaft mit der Maid (C. Zydek, alle BW11) verschwindet nach der ersten Begegnung schnell: Sie ist hässlich.

Am Ende der gelungenen Aufführung galt für alle mitwirkenden Schülerinnen und Schüler: Jeder war für (mindestens) einen Tag ein Held.

Sophie Zienecker

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