[FOS/BOS, 06.04.2017] Was geschieht, wenn im Himmel Langeweile herrscht, Gott sich amtsmüde fühlt und der Teufel schon keine Lust mehr hat, die Sünder zu quälen: Richtig, eine Wette muss her! Ungefähr 200 Jahre nach Goethes „Faust“ präsentierte die Theatergruppe der FOS/BOS unter der Regie von Winfried Sima eine erfrischend freche, sehr amüsante und sehr moderne Fortsetzung des Klassikers mit dem Stück „Faust – Der Tragödie neuester Streich“.
Eingestimmt wurde das Publikum durch das Vorwort des Theaterdirektors, stark und souverän gespielt von Thomas Stahr, der die Bühne freigab, dem anwesenden Publikum gleich die Marschrichtung anzeigte und es anleitete, mit viel Fantasie dem Schauspiel zu folgen. Was folgte, war eine fortschrittliche Fassung des alten Dualismus zwischen Gott, sehr ausdrucksstark verkörpert von Pilipp Weiß, und dem Teufel, grandios, ausdrucksstark, mit viel Witz und Ironie gespielt von Nina Heinicke.
Leidtragender der Wette ist dieses Mal der Ur-Ur-Ur-Urenkel von Heinrich Faust, ein frustrierter Gymnasiallehrer, der wieder einmal den Sinn des Lebens zu ergründen versucht und mit dem Teufel einen Partner zur Seite gestellt bekommt, um sich diesem Ziel zu nähern. Dennis Altenhof verkörperte die schwierige und anspruchsvolle Rolle des Faust und begeisterte mit seinem darstellerischen Geschick, vor allem im Zusammenspiel mit Nina Heinickes Mephisto, das Publikum ein ums andere Mal.
Der Zaubertrank, der hier zum Einsatz kam, wies besonderes Lokalkolorit auf: er wurde, nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut, von der Brauerei Bruckmüller geliefert (Anton Bruckmüller hatte die Bayerischen Schultheatertage in Amberg eine Woche zuvor als Hauptsponsor unterstützt); mit dem Versprechen, der Zaubertrank könne die Liebe zwischen zwei Menschen bewirken, versucht der Teufel, Faust mehrmals zu manipulieren und seine Liebeswünsche zu erfüllen, was jedoch stets misslingt. Denn Faust soll sich in seine Kollegin Schwertlein (von Sophie-Marie Engelbrecht wunderbar selbstbewusst und lebensecht gespielt) verlieben, aber der von Jakob Kantana sehr dynamisch verkörperte Sportlehrer kostet versehentlich vom magischen Gerstensaft und … verliebt sich sogleich in Faust, der sich daraufhin vor dem Sportlehrer retten muss.
In seiner Verzweiflung beabsichtigt Faust, seinem Leben mit einem Giftgetränk ein Ende zu setzen. Nur durch das göttliche Einschreiten kann er daran gehindert werden, denn statt des Gifts verabreicht Gott dem Faust erneut Gerstensaft, der ihn dann in einen tiefen Schlaf fallen lässt, aus dem ihn ein frech gewitzter Schüler aufweckt, der von Sophie-Marie Engelbrecht gespielt wurde (ebenso überzeugend in ihrer zweiten Rolle).
Als Faust mit dem Teufel endlich brechen will, begegnet ihm das von Sophie Feja herrlich forsch, teilweise naiv gespielte Gretchen. Das Mädchen verliebt sich aus freien Stücken, also ohne Zaubertrank, in den attraktiven und gewandten Faust – doch da ist auch noch ihre stockkonservative Mutter (sehr gut mit osteuropäischen Akzent dargestellt durch Theresa Kotz), die in dieser Beziehung ein Machwerk des Teufels sieht und den Teufel arg in Bedrängnis bringt. Am Ende jedoch siegt die wahre Liebe zwischen Gretchen und Faust, und auch der Teufel muss einmal mehr die Macht und Größe Gottes zähneknirschend zur Kenntnis nehmen.
Der Vorhang fiel und das Publikum applaudierte, so dass der souverän agierende Theaterdirektor zu einer Zugabe veranlasst wurde. Die dafür erbetene dreiminütige Pause, in der die letzte Szene einstudiert wurde und die dem Publikum den eigentlichen Theaterbetrieb vor Augen führte, nutzte die Theatergruppe für ein sehr gelungenes Improtheater, um Gott und den Teufel zu versöhnen und dann wieder an den Anfang des Stücks überzuleiten. In der Rolle des Engels begeisterte wiederum Jakob Kantana das Publikum durch seine Gitarrensolos und durch seine unbekümmerte und liebenswürdige Art. Mit dem abschließenden Kommentar des Teufels: „Mann, ist das langweilig hier“ schloss sich der Kreis, und das Publikum dankte für die begeisternde Vorstellung mit tosendem Applaus.
Insgesamt bot die Theatergruppe trotz wenig Requisiten und Bühnenbildern ein sehr unterhaltsames und sehr komödiantisches Stück, das den Fauststoff recht frei interpretierte und die Thematik mit einem Augenzwinkern in die heutige Zeit transportierte.
Peter Ringeisen, DJDG