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Bizarre Gerichtsverhandlung – und doch keine Panne!

Die meisten Zuschauer reagierten verhalten, einige verblüfft. Das, was auf der Bühne zu sehen war, war das wirklich das Stück, das man sehen wollte? Oder waren sie im falschen Film? Gleich zu Beginn der Aufführung eine reale Panne? Die Erwartungshaltung der Zuschauer erlitt bereits zu Beginn von Dürrenmatts „Die Panne“, präsentiert von der Oberstufentheatergruppe des GMG unter der Spielleitung von Sabine Edl, Schiffbruch.

Janina Shalsi ergriff als Regisseurin die Initiative und „ordnete wieder die Tassen im Schrank“: Man habe mit der Schlussszene eröffnet, sie könne nur hoffen, dass die Zuschauer gut aufgepasst hätten, weil diese Szene nicht mehr gespielt werden würde. Deshalb wäre nun deshalb der Zuschauer vollste Aufmerksamkeit gefordert. Und diese wurde dem seltsamen, einmal in heitere Ausgelassenheit, dann in bedrückende Stimmung versetzenden Geschehen auf der Bühne voll zuteil.

Im Mittelpunkt der spannenden Handlung steht Alfredo Traps, ein Textilreisender, ein, wie Dürrenmatt sagt, „Dutzendgesicht“, aus dem die Menschheit blickt, Gericht und Gerechtigkeit sichtbar werden, vielleicht auch Gnade, widergespiegelt von einem Monokel eines Betrunkenen. Bastian Prechtl übernahm, belohnt von viel Beifall, diesen Part, mit sicherem Gespür und Einfühlungsvermögen für die Nuancen, die diese Rolle erforderte. Nach einer Autopanne will er die Nacht in der Villa vom pensionierten Richter Wucht (Bettina Melzer, überzeugend Ehrwürdigkeit verkörpernd) verbringen. Dabei gerät er in einen Herrenabend mit weiteren pensionierten Anwesenden: Staatsanwalt Zorn (Kathrin Schröpf, in einer Paradeszene bei der Verbrüderung mit dem Angeklagten), Rechtsanwalt Kummer (Melitta Diener, schön doppeldeutig in ihrer Besorgnis um den Angeklagten), und dem ehemaligen Henker Pilet (Katharina Klinger, mit clowneskem Talent). Als unwiderstehlich verführerisch greift Svenja Drescher als Nichte des Richters in das groteske Geschehen ein, bei dem Alexander Bollow als witzig auflockernde Hausdame für unablässigen, reichlichen Alkoholnachschub sorgt.

In einer bizarren Gerichtsverhandlung spielt die Herrenrunde ihre alten Berufe und zeigt, dass sie immer noch damit bestens vertraut ist. Traps wird zu seinem Erstaunen zum Angeklagten, und weil ihm Spiele Spaß machen, freut er sich auf einen vergnüglichen Abend. Sich nach seinem Verbrechen erkundigend erfährt er vom Staatsanwalt, dies sei ein unwichtiger Aspekt, denn ein Verbrechen lasse sich immer finden. Nach und nach verstrickt sich Traps, teils aus Geschwätzigkeit, teils wegen unvorsichtiger Antwortet und falscher Taktik, auch als Stolz über das, was er, der aus sozial benachteiligten Verhältnissen stammt, mit Ehrgeiz und ungeheurem Kraftaufwand aus sich gemacht hat: einen erfolgreichen Geschäftsmann. Er redet sich, obwohl ihn sein Verteidiger öfters darauf verweist, um Kopf und Kragen, gibt immer mehr Dubioses von sich preis und verstrickt sich damit im Netz. Das Spiel kippt in die Wirklichkeit um. Er widerspricht der Verteidigung, die auf unschuldig plädiert und „gesteht“ den ihm im Spiel zu Last gelegten Mord und vollzieht an sich selbst das Todesurteil.

Das statische Stück drohte nie langweilig zu werden, weil die Gruppe sich ständig um auflockernde Ideen bemühte. So stellt sie z.B. im „Porträt der Woche“ mit harmlosen Bildsequenzen das scheinbare Verbrechen von Alfredo Traps zur Erheiterung der Zuschauer mit humorvollen Anspielungen dar. Im Programm wünschte die Theatergruppe der Oberstufe den Zuschauern einen vergnüglichen Abend und gute Unterhaltung: dafür war bestens gesorgt.

Edgar Dietl (MRG)

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