Monatsarchiv: August 2023

„Nur der Schein zählt“ – Kriminalistisches Eintauchen in eine Schein-Welt

[GMG, 14.07.2023] Schon der Blick ins Programmheft zum Theaterabend am Gregor-Mendel-Gymnasium mit dessen Theatergruppe „Die Wilden 13“ weckt den detektivischen Spürsinn des Besuchers: Statt der zu erwartenden 13 Schauspielerinnen sind letztlich 14 Fünft-, Sechst- und Siebtklässlerinnen in diese Stückentwicklung involviert. Diese geht laut Ankündigung auf eine gewisse Person namens Rehadobeli Syjolehacahaemch zurück: Ob bei dieser Ankündigung nicht schon der Schein trügt…?
Apropos Schein – genauer Geldschein: Um dieses wertvolle Stück Papier in beachtlicher Anzahl dreht sich die Handlung dieser vielfach verzwickten Enthüllungskomödie. Für diese setzen der Weißclown (Amina Ullmann) und der dumme August (Sophie Özsoy) in gekonnter Weise den Rahmen: In ihrer Einführung ins Stück bringen die beiden zu Schaustellermusik die Frage nach Scheinen und einem Koffer auf den Punkt: „Wo ist der Scheinkoffer?“ Ihr Versprechen „Wir werden es gleich erfahren…“ erfüllt sich zumindest nicht direkt, sondern nach ca. 90 spannenden Minuten.

Die Szenerie – der Gemeinschaftsraum eines Altenheims – wird in ihrer, von warnendem Blaulicht schwach erleuchteten Dunkelheit direkt zum Tatort; doch statt dramatischer Schwere wird die durchgehend mitschwingende, gekonnt eingesetzte Situationskomik hier schon entfacht: Wird der Koffer zunächst unter einem Tisch fallengelassen, lassen die scheinbar harmlosen Heimbewohner nicht lange auf sich warten: Da klopft die Gulasch-Oma (Rebecka Siegert – schlagfertig und ausgefeilt in Mimik und Gang) mit ihrem Kochlöffel darauf, da stolpert die GNTM-Oma (Hanna Rieß-Pfab – mit stattlicher Erscheinung und ausdrucksstarker Bühnenpräsenz) darüber, da nimmt die Katzen-Oma (Dóra Román – raffinierter Wechsel zwischen gutmütiger Oma und gewitzter Verdächtiger), die alles und jeden für Katzen hält und entsprechend behandelt, den Koffer kurzerhand an sich: Was gäbe es für ein treffenderes Geschenk für Carl-Gustav, den „Steine-Opa“ (Benno Stiegler – ein ruhiger Beobachter und treffend umgesetztes Bild eines alternden, wissenschaftlich interessierten Mannes), als einen Koffer mit eben solchen? Gesagt – getan: Steine rein in den Koffer und das Geld raus – versteckt im fahrbaren Katzen-Bett.
Das feierliche Miteinander zu Carl-Gustavs Ehren wird rasch gesprengt durch die überraschend schnell eintreffenden Ermittlungsbeamtinnen in all ihrer Unterschiedlichkeit: Während Hauptkommissarin Luisa Bach (Lea Decassian mit couragierten Auftritten und überzeugenden Ansagen) die Richtung der Ermittlungen vorzugeben versucht, verfolgt ihre Assistentin Kristina Knister (Hannah Widmann – verkörpert detailreich die Unbeholfenheit ihrer Rollenfigur) eher ihren eigenen Ansatz – genauer ihren Karriereweg. Ergänzt wird diese knisternde Spannung des ungleichen Paars durch ein Trio von Polizeianwärterinnen, die die jungen Spiegelbilder der alternden Elfriede Klum bilden: Die um ihr Make-up besorgte, mondän anmutende GNTM-Oma bewertet dann auch gleich die drei hippen Nachwuchspolizistinnen in ihren Outfits: Mal geht’s um „Abonnieren“ (Candy: Hanna Seipt – mit wunderbar übertriebenen girlyhaften Attitüden), mal um „Liken“ (Wendy: Emma Seipt – in gekonnter Nachahmung eines It-Girls) – ohnehin immer um Fame und Geld (Mandy: Catharina Weiß – mit souveränem Abbilden des klischeehaften Influencer-Verhaltens). Von Elfriede Klum jedenfalls „gibt’s kein Bild…“

Doch das Ziel der Befragungen ist auch nicht eine GNTM-Bewertung, sondern das verschwundene Geld, das inzwischen – von anderen unbemerkt – die sechsjährige Maggie Schiefelbein (Lisa Gradl – große Spielfreude inklusive einstudiertem Sprachfehler und Spaß an Direktkontakt mit dem Publikum), Enkelin der Gulasch-Oma, gefunden und in ihrem Teddy versteckt hat. Vor diesem Hintergrund kommen die Befragungen ohne erkennbares Ziel nur schwerlich voran: Angebotene Cookies mit einem besonderen Geschmack entfalten ungeahnte Wirkungen an Knister, die vorschnell zur Waffe greift und Rechtsbehelfe einstudiert vorträgt. Da müssen die drei Polizeianwärterinnen – sie „finden alles eklig, was mit alten Leuten zu tun hat“ – ran, treffen aber nur auf eine verwirrte Katzen-Oma („Kätzchen heutzutage wissen sich auch nicht mehr zu benehmen.“), eine GNTM-Oma mit Influencer-Allüren (Heli-Port, Einzelzimmer mit Massage und Spa) und Geschichten über ihr nächtliches Schlafwandeln sowie eine Gulasch-Oma, die scheinbar verdächtige Kügelchen für eine Spezialrezeptur in ihren Kochtopf gibt.

Und sonst: Gibt’s weitere Verdächtige? Praktikantin Kara Devil (Johanna Henkel – die ihr Wissen geschickt Verbergende) entreißt Knister nicht nur zwischenzeitlich die Waffe, sondern macht auch kryptische Andeutungen. Und Pflegerin Lena Krümel (Sylvie Filipovic – die Geduld und Empathie glaubwürdig Vermittelnde) verkrümelt sich vor der Katzen-Oma unter dem Tisch.

Licht ins Dunkel der Suche nach den Scheinen bringt das kindlich gemalte Bild eines Teddys samt fehlerbehafteter Aufschrift – angebracht an der Hinterwand des Raumes und begutachtet von den Senioren entsprechend ihrer inzwischen liebgewonnenen Skurrilität: Die eine zeichnet eine Katze ins Bild, die andere vermisst darin ein neues Gulasch-Rezept und die dritte schießt mal wieder ein Selfie. Auch die drei Polizeianwärterinnen wagen sich an eine Bild-Analyse der besonderen Art („Täddy hatt: He, she, it, das t muss mit…“), erleben dann aber ihren unvermuteten Geistesblitz: Sie erkennen in Maggies Bild den – eigentlich unschwer erkennbaren, weil ja wörtlich vermerkten – Hinweis auf den Aufbewahrungsort des Geldes, fesseln das Kind, das von einem Flug zum Mars träumt, dort aber – den Fesseln sei Dank – nicht verloren gehen dürfe, und verschwinden mit dem Teddy.

Zurück bleibt Maggie, die sich erst als wehrloses, wenig auskunftsfreudiges Befragungsopfer von Karrierefrau Knister erweist (herrlich komische Situation: Maggie summt mit Kopfhörer das „Fliegerlied“), später von den Alten mitgenommen wird.

Wo sind nun die Scheine? Kurzfristig bei Mandy, Candy und Wendy, die biertrinkend recht zielsicher ihren Allgemeinzustand einzuschätzen vermögen („Wir sind dicht…“) und der mit vorgehaltener Waffe eintreffenden Kommissarin nichts Anderes als einen schrillen „Alle meine Entchen“-Gesang entgegenzusetzen haben. Weil Candy nach einem Schuss nicht so recht „tot“ sein möchte, greift die Handlungsanweisung des Spielleiters Christoph Schulz – herrlich überzeichnend und in Katzenpantoffeln geschlüpft – direkt ins Geschehen ein: „Ihr wolltet Leichen im Stück!“ lautet die energische Aufforderung, auf die zunächst Schüsse folgen und denen dann die Anwesenden scheinbar zum Opfer fallen. Selbst die Waffe führende, geldgierige Kommissarin bricht in der folgenden Begegnung mit den Alten zusammen.

Im Augenschein des nun selbst übernommenen Geldes träumen die Senioren von dessen Möglichkeiten – Livestreams, Steine, Katzenfutter, Gulasch, werden dann aber nochmals von der Gegenwart eingeholt:

Die Praktikantin erinnert an Max Disclandrow als eigentlich rechtmäßigen Besitzer des Geldes. Doch gegen diesen werden nun schwere Vorwürfe erhoben: Mit Bildern in der Hand – raffiniert inszeniert als sichtbare Verbindung von schuldhafter Vergangenheit und anklagender Gegenwart – identifiziert ihn Carl-Gustav als ehemaligen, gaunernden Geschäftspartner, wirft die GNTM-Oma ihm als ihrem damaligen Manager die Schuld am Karriere-Ende vor, verweist Lena Krümel auf die Erkrankung ihrer Tante, der Katzen-Oma, und hält die Gulasch-Oma ihm schließlich vor, dass ihr Sohn den Drogentod starb, weil Max Disclandrow dealte.
So kommt die Handlung und auch die Frage, wem denn nun die Scheine zurecht gehören, wieder ins Lot: Die Senioren dürfen sich als vielfach Geschädigte am Schein-Erwerb erfreuen und in dieser besonderen „Schein-Welt“ ihre individuellen Träume erfüllen.

Ihren Traum von einer wilden Stückinszenierung haben sich auch die jungen Schauspieler*innen verwirklicht: Denn die Textproduktion entstammt allein ihrer Feder, was sich auch hinter dem geheimnisvollen Autorennamen – einer Zusammensetzung der Anfangsbuchstaben der Beteiligten samt Spielleiter – verbirgt.
Direkt sichtbar ist schließlich der Beifall des Publikums: Dieses verlässt den Ort der Bühnenhandlung mit nicht nur einem Schein von Freude und Begeisterung…


Tobias Kober (Schultheaterleiter am Max-Reger-Gymnasium)

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Märchen & Crime an der Schönwerth-Realschule

Die Theatergruppe der Franz-Xaver-von-Schönwerth-Realschule begeistert mit der verrückt-kreativen Eigenproduktion „redhood crime – Märchen verRückt“

[FXvS, 13.07.2023] „Rotkäppchen“, „Schneewittchen“, „Der Wolf und die sieben Geißlein“ – wer kennt diese Märchen der Gebrüder Grimm nicht seit Kindertagen? Der Theatergruppe „Theaterfieber“ der Franz-Xaver-von-Schönwerth-Realschule gelang es unter der Leitung von Brischitte Bodensteiner und Thomas Spörer, diese bekannten klassischen Märchen für eine ganz neue, spritzige und moderne Eigenproduktion zu nutzen und dabei die Zuschauer auch ein bisschen aufs Fake News – Glatteis zu führen.

Fröhlich herein tanzend und stimmungsvoll im Chor sprechend und flüsternd  führten die schwarz gekleideten und mit Zeitungen ausgestatteten  SchauspielerInnen in das Thema Märchen ein: „Es war einmal vor langer, langer Zeit…“, um gleich danach das Märchenwissen der Zuschauer beim Vorlesen von reißerischen Zeitungsüberschriften zu testen: Headlines wie „Mörder im Haus der Großmutter“ (Redhood), „Leichte Handverletzung führt zum Tiefschlaf“ (Dornröschen) und „Alte Dame möchte Jüngling vernaschen“ (Hänsel und Gretel) brachten die Zuschauer nicht nur zum stillen Mitraten, sondern auch zum Schmunzeln und sogar lautem Lachen. Das Thema war also gesetzt und die märchenhafte Crime-Story konnte beginnen:

Eindrucksvoll wurde das Publikum über die Ausgangssituation des Kriminalfalls informiert: Redhood will ihre tief im Wald lebende und kranke Großmutter mit Wein und Kuchen besuchen, trifft auf dem Weg den bösen Wolf und kommt – hier ein neues Element der Schönwerthschen Theaterproduktion – auf ihrem Weg auch am Haus der sieben Zwerge aus dem Märchen „Schneewittchen“ vorbei. Diese Geschichte ist dem Publikum natürlich bekannt und deshalb ist es weniger die Story als die Darbietung, die in den Bann zieht: Die Geschichte wird nämlich chorisch in Gedichtform dargeboten, fehlende Reime werden sowohl von den Schauspielern als auch von den Zuschauern ergänzt. Parallel dazu wird sie nicht nur mit passender Musik, sondern auch schauspielerisch von Redhood, dem Wolf und den sieben Zwergen begleitet – besonders eindrucksvoll, als das Haus der sieben Zwerge in einem Standbild gebaut wird. Am Ende dann  ist der Schreck von Redhood „riesengroß: Die Großmutter fort!!! – Wo ist die bloß???“ und das Märchen beginnt sich in einen richtigen Kriminalfall zu verwandeln, als klar wird, dass es der Wolf nicht gewesen sein kann. Denn der ernährt sich seit neuestem „streng vegan“.

Ab jetzt gilt es also, den Fall aufzuklären und dafür betreten in der nächsten Szene zu James-Bond-Musik ein an Sherlock Holmes erinnernder, weltfremder Hauptkommissar (Edwin Hermann) mit seinem Gehilfen (Anton Sandner) und zwei Sekretärinnen (Klara Beer, Alegra Saval) den Tatort – kenntlich gemacht mit einem rot-weißen Absperrband. Und kaum sind sie in Großmutters Haus angekommen, findet sich auch schon ein erstes Beweisstück: Ein – laut Kommissar – „mit Samt bedecktes elastisches Haarbändigungsinstrument“ oder auch nur – wie von einer der Sekretärinnen lapidar zusammengefasst – ein graues „Haarband“. Was es mit diesem auf sich hat, wird dann in der nächsten Szene klar: Denn dass es – wie es in der Zeitung steht – nur das kleine süße Mädchen Redhood gibt, wird von drei Anti-Erzählerinnen laut und deutlich als Fake News entlarvt: „Ihr glaubt auch alles, was in der Zeitung steht!“ Nicht bekannt ist nämlich, dass es neben der lieben, positiv denkenden  Redhood auch eine zickige Greyhood gibt, die sich von der Großmutter immer zurückgesetzt fühlt.  Diese beiden sehr unterschiedlichen Charaktere werden in der folgenden Szene nicht nur authentisch durch die Schauspielerinnen Laura Wagner und Romina Barile verkörpert, sondern auch ganz wunderbar durch einen zur Musik von Schwanensee grazil tanzenden weiß gekleideten Engel (Karolina Golcer) und den zu Heavy Metal Musik rockenden schwarzen Teufel (Karolynn Hartmann). Und mit Greyhoods Eifersucht und ihrem hinterlistig vorgetragenen Satz „Ich freu mich schon darauf, Großmutter zu besuchen“, ist die Fährte gelegt: Greyhood macht sich verdächtig, ihre Eifersucht ist ein klares Motiv!

Dies erkennt in der nächsten Szene auch der Hauptkommissar mit seinem Team, bevor er am Tatort ein weiteres auffälliges Indiz findet: Eine grüne Zwergenmütze. Wieder werden die Zuschauer zunächst mithilfe der drei Zeitungserzählerinnen und ihren Counterparts darüber aufgeklärt, dass sie falsch informiert waren. Was in der Märchenzeitung steht, stimmt gar nicht: Die vermeintlich braven, putzigen und hart arbeitenden Zwerge wollten in Wahrheit „von der Großmutter was klauen!“ Gezeigt wird das in der nächsten Szene, als die sieben Zwerge (Lucie Bauer, Johanna Schuhbauer, Sama Alhaw, Meryem Celen, Lisa Sauerwein, Waleria Frescher und Romina Barile) mit ihren grünen Mützen zu cooler Zwergenmusik auf die Bühne tanzen. Im Haus der Großmutter angekommen, finden sie aber nicht den Lichtschalter, irren herrlich komisch gespielt im dunklen Haus der Großmutter herum, bis diese schließlich kommt und sie vertreibt. Ein Motiv für den Mord an der Großmutter?

Davon geht der Kommissar in Großmutters Haus aus und fasst zunächst einmal die Motive zu den zwei bereits gefundenen Beweisstücken zusammen. Doch da zwei Verdächtige nicht genug sind, stoßen sie bei ihrer Tatortbegehung noch auf ein drittes Indiz: ein „Wolfspelz-Dings“. Wieder werden die Zuschauer in einer Introszene über die Hintergründe aus dem Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ informiert – allerdings diesmal mit dem Unterschied, dass die Zeitungserzählerinnen keine Widerlegung ihrer Geschichte zulassen – die an der Tür rüttelnden Antierzählerinnen werden gar nicht erst hereingelassen. Die darauffolgende szenische Darstellung des Waldes mit seinen pfeifenden Winden, den singenden Vögeln und den klopfenden Spechten zieht den Zuschauer sofort in den Bann, ebenso die zunächst harmlos spielenden Geißlein (Maria Mihon, Karolynn Hartmann, Lucie Bauer, Florentina Gron, Johanna Schuhbauer, Samira Wagner und Anna Wanscheidt) und die bedrohlicher werdenden chorisch gesprochenen Stimmen des Waldes: „Der Wolf geht um, der Wolf geht um!“ Und als dieser (Sarah Lehner) ausgemergelt und hungrig auftritt, riecht er eine Mischung aus Geißlein und alter Großmutter. Und der Zuschauer fragt sich: Hunger als Motiv?

Die Auflösung dann in der nächsten Szene: Alle Verdächtigen – Greyhood, die Zwerge, der Wolf und die Geißlein – versammeln sich auf der Bühne, das Publikum wird nun einbezogen und zum Tathergang interviewt. Diese Befragung gipfelt in der Frage an alle: „Wer könnte der Mörder sein?“ Und der Aufforderung: „Einfach reinrufen!“ Und während die Zuschauer noch über den Einwurf des Kommissargehilfen, dass ja eigentlich noch gar keine Leiche gefunden worden sei, grübeln, kommt – welch große Überraschung – die Großmutter (Sarah Lehner) auf die Bühne – zuerst schimpfend und dann überfordert, da sie die große Aufregung über ihr Erscheinen gar nicht versteht.

In einer an die Anfangsszene angelehnten, spannenden Schlussszene dann die Aufklärung, verbunden mit der Aufforderung, nicht alles zu glauben, was in der Zeitung steht. Denn die Schlagzeile „Mörder im Haus der Großmutter“ entpuppte sich schließlich wieder als Fake News – nichts davon stimmte, die dreitägige Suche nach dem Mörder war verschwendete Zeit. Umso echter dann die sehr lustigen und die Zuschauer erheiternden Erklärungen für ihre Abwesenheit: Sie war bei Rapunzel zum Haareflechten, das graue Haarband hat sie beim Aufbruch dorthin verloren. Die Zipfelmütze war ihre Duschhaube und das Stück Wolfspelz ihr alter Putzlumpen.

Die Schönwerth-Theatergruppe „Theaterfieber“ bescherte den Zuschauern mit ihrer kreativen und witzigen Eigenproduktion ein kurzweiliges und sehr unterhaltsames Theatererlebnis und beeindruckte besonders durch die bildhaften und einprägsamen Tanz- und Gruppenszenen, das ausdrucksstarke und abwechslungsreiche chorische Sprechen sowie durch die stimmungsvolle Untermalung der Auftritte mit perfekt ausgewählter Musik. Nach der Aufführung dankte Brischitte Bodensteiner allen Beteiligten – den jungen, unheimlich spielfreudigen SchauspielerInnen, die sie liebevoll ihre „Duracell-Hasen“ nannte, und auch den Licht- und Tontechnikern (Jonas Germershausen, Bela Schmid-Burgk, Fabian Busch, Kilian Frohmann, Nick Schödel, Jonas Schenzel, Dominik Bauer und Ferdinand Gebhard). Dass die Theaterarbeit die Schüler auch über die Schulzeit hinaus noch mit ihrer Schule verbinden kann, bewiesen die Ehemaligen Niklas Giedl und Manuel Sailer, die die Gruppe als Techniker und Theaterassistent tatkräftig unterstützten. Auch ihren Einsatz würdigte die Theaterleiterin, das Publikum belohnte alle Beteiligten noch einmal mit verdientem, donnerndem Applaus.

Sandra Häusler (Schultheaterleiterin am Erasmus-Gymnasium)

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„Das indische Tuch“ – eine spannende Kriminalkomödie fesselt das Publikum

Die Theatergruppe der Unter- und Mittelstufe des MRG bot den
Zuschauer:innen ein ausgesprochen kurzweiliges und vergnügliches
Theaterstück zum Mitraten

[MRG, 13.07.2023] „Das indische Tuch“ stammt aus der Feder des äußert erfolgreichen Kriminalschriftstellers Edgar Wallace, der als Erfinder des modernen Thrillers gilt. Die Verfilmungen seiner Werke mit berühmten deutschen Schaupieler:innen besitzen Kultstatus. Basierend auf der Textgrundlage von Bernd Spehling gelang es der Spielleiterin Nina Kohl gekonnt, einen flotten, spaßigen Erbschaftskrimi zu inszenieren. Die beiden Regieassistentinnen Anja Fichtner und Summer Schindler unterstützten dabei tatkräftig.

Die Theaterfamilie am MRG hatte sich dieses Mal etwas ganz Besonderes, noch nie Dagewesenes einfallen lassen. Im Vorprogramm zeigte die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe Sketche zur Einstimmung. Eine tolle Idee! Nachdem die Abiturienten und Abiturientinnen der Q12 die Schule bereits verlassen haben, besteht dieses Ensemble unter der Leitung von Simone Nimmerrichter nun aus zwei Schaupieler:innen aus der Q11 und acht Schauspieler:innen aus der 8. Jahrgangsstufe. Im Rahmen der Fernsehsendung „Hautnah“ präsentierte die Gruppe auf höchst amüsante Art und Weise vier tagesaktuelle Nachrichten unter folgenden Schlagzeilen: „Parkverbot ignoriert“, „Krimineller Hippie“,
„Personalmangel in der Unterwelt“ und „Verschwundener Hippie…“. Durch zahlreich gesetzte Pointen brachten sächselnde Polizeibeamte (Frederike Dötsch und Verena Schaller), ein All-in-one Spezialist (Alex Meißner) (Spurensicherung, Mordkommission, Gerichtsmedizin, diensthabender Arzt, Hausmeister und Taxifahrer in einer Person), naturverbundene, konsumkritische und abstimmungsfreudige Hippies (Emilia Rubenbauer, Emily Sprychel, Jessie Zou und Anna Wendl) sowie italienische Mafiagangster (Stella Decker und Oscar Öckl), die sich in „Sprache mit Bild“ unterhielten, das Publikum zum Lachen. Die Moderatorin von „Hautnah“ (Pia Mutzbauer) kündigte im Anschluss an die Berichterstattung das Highlight des Abends an: „Das indische Tuch“ – „Crimetime zur Primetime“!

Das Hauptstück begann mit dem legendären Satz aus dem Off: „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“, der das Publikum kurz erschauern ließ. Die Polizistinnen (unterhaltsam verkörpert von Katharina Winkler und Victoria Zeltner) wiegten das Publikum jedoch in Sicherheit: Auf dem Schloss in Schottland sei nie etwas los, sogar der Fuchs sei „mit blanker Absicht gegen eine Eiche gebrettert, aus Langeweile“. Und schon passierte der erste Mord! Eine komplett in schwarz gekleidete Person erdrosselte den reichen Lord Lebanon mit einem indischen Halstuch. Die Hausangestellte Haruka (großartig: Lilli Sellin) entdeckte den Verblichenen beim Staubwedeln und hielt den Moment mit einem Polaroid-Selfie fest und der Aussage: „Also ich würde nicht gleich sagen, dass der tot ist, aber er lebt halt auch nicht mehr so richtig.“ Lady Lebanon (beherzt gespielt von Fiona Beer) war sichtlich erschüttert vom Ableben ihres Mannes.

Nachdem alle potentiellen Erben ohne besonderes Mitgefühl zur Testamentseröffnung erschienen waren, verlas der äußerst seriöse Familienanwalt Frank Tanner (einfach grandios: Hannes Lichtenegger), begleitet von der souverän autrretenden Rechtsanwältin (gekonnt dargestellt von Regina Sachsenhauser), das Testament: Auf ausdrücklich vorletzten Wunsch des Verstorbenen sollten alle erst einmal sechs Tage und sechs Nächte auf dem Schloss verbringen, bevor sie etwas in ihren Händen halten würden. Das Entsetzen war groß, verwandelte sich aber schlagartig in Wohlwollen, nachdem der professionelle Tanner verkündete, dass es sich u.a. um ein Barvermögen von einer Million Pfund handelte. Die Schauspielerin Mrs. Hockbridge (sehr intensiv: Anika Schwagerl) war plötzlich der Meinung, dass New York durchaus ein paar Tage warten könne, und auch Pastor Reverend Hastings (rührend besorgt: Simon Hummel) lenkte ein und kümmerte sich mal sonntags ausnahmsweise nicht um seine Schäfchen. Edward, der Sohn der Lebanons (gekonnt verkörpert von Luisa Wilfert), ein begnadeter Pianist, unterbrach unterdessen (des Öfteren) das Geschehen völlig unerwartet mit laut gesprochenen Klaviertönen: „…pa pa pa paaam…“. Ausgerechnet nach der ersten Zusammenkunft zog ein Unwetter auf, welches die schottische Halbinsel vom Festland trennte. Dem langjährigen Butler der Familie (sehr überzeugend und präsent: Martin Aumiller) gelang es, während der ganzen Misere stets Haltung und Fassung zu bewahren. So stellte er beispielsweise bei der Überprüfung des Telefons fest: „Das Telefon funktioniert, alles da, nur telefonieren kann man nicht mehr.“ Wäre nur Mr. Tilling (lässig und amüsant mit respektablem kölschem Dialekt: Alexandra Galiev) mit der Erfindung seines Taschentelefons schon weiter fortgeschritten! Seine Gattin, die Tochter des alten Lords, die spitzzüngige Mrs. Tilling (gekonnt genervt: Carina Schönberger) machte sich permanent lustig über die Erfindungen ihres Mannes und verkannte dabei, dass sich hier große Erfindungen wie Handy oder Online-Shopping fast ihren Weg gebahnt hätten. Das zerstrittene Ehepaar schenkte sich nichts und sorgte durch seine ironischen Dialoge für zahlreiche Lacher. Der barsche, außereheliche Sohn Peter Ross (überzeugend gespielt von Tassilo Schießl) illustrierte das Geschehen mit einer Zeichnung: „Ein Gehege mit Hyänen als Metapher für die Erbengemeinschaft.“ Ein gelungener Kniff erfolgte durch das Auftreten der Erzählerin (sehr facettenreich: Uliana Kiseleva), die übrigens zu Beginn Lord Lebanon spielte. An dieser Stelle versorgte sie das Publikum prompt mit ausführlichen Zusatzinformationen im Wikipediastil zur Spezies Hyäne. Diese spaßigen, variantenreichen Unterbrechungen sorgten für vorzügliche Unterhaltung.
Nach einer perfekt choreographierten Mutter-Sohn-Szene und einer Missverständnis-Szene zwischen der begabten Schauspielerin und dem trinkfreudigen Pfarrer folgte der nächste Mord. Der Mörder/die Mörderin schlich sich von hinten an und erdrosselte den Reverend, wieder mit einem indischen Tuch. Haruka teilte den Verwandten am nächsten Morgen mit, dass der Reverend „nicht mehr frühstücken würde“ und versuchte die „blöde Sache, ganz blöde Sache“ zu erklären. Die ängstliche Isla (gekonnt dargestellt von Lena Zabel) fand die ganze Situation sowie Edwards Umgarnungen einfach nur „schrecklich“. Hausärztin Dr. Amersham (überzeugend sachlich: Anna Rauchenberger) stellte fachlich präzise den Tod durch Erwürgen fest. Die Polizistinnen verdächtigten Mr. Tilling, da sich ein Knopf seiner
Jacke am Tatort befand. Tilling wollte sich laut eigener Aussage lediglich Rat vom Reverend holen, da seine Gattin die Scheidung wolle. Tatsächlich wurde Mrs. Tilling unmittelbar nach dem Verhör zum nächsten Opfer.
Nach drei Morden ging es in die Pause mit der eindringlichen Anweisung: „Jeder passt auf, nach 20 Minuten sehen wir uns genau hier wieder, und zwar ALLE!“
Nun schritt die Handlung temporeich voran. Dr. Amersham wurde von Lady Lebanon mit dem Vorwurf unterschlagener Medikamentenlieferungen kompromittiert und es schien so, als habe die Lady die undurchschaubare Ärztin in ihrer Hand. Mr. Tilling drehte nach den Mordvorwürfen durch und knallte mit einer Waffe um sich. Haruka schlug mit einer Stehlampe auf ihn ein und brachte ihn versehentlich zur Strecke. Boldwin zollte Respekt: „Dem hast du gezeigt, wo die Lampe hängt.“ Endlich wurde die nächste Tote, Mrs. Hockbridge, entdeckt, die schon seit geraumer Zeit unbemerkt in eindeutiger Position im
Sessel gesessen hatte.
Es wurde gemordet, was das Zeug hielt. Peter Ross war das nächste Opfer. Kein Wunder, dass der sonst immer analytisch vorgehende Tanner dann auch einmal die Fassung verlor. Die Anwälte und Lady Lebanon gingen gemeinsam alle möglichen Mordmotive durch und beschuldigten sich am Ende sogar gegenseitig. Nachdem schließlich noch Dr. Amersham dran glauben musste, wurde die Sache natürlich durchschaubarer und prompt überwältigten und enttarnten die Polizistinnen auch schon den Täter auf der Flucht. Zum Vorschein kam, keiner hätte es gedacht, Sohn Edward. Das „mega super duper Spitzenteam“ der Polizistinnen lobte die eigene mentale Stärke, mit der sie den Fall gelöst hätten und sie ließen dabei mit einem Augenzwinkern ihre Muskeln spielen.
Die eigentliche Testamentseröffnung hielt zum Schluss einige Überraschungen bereit. Das Schloss erbte das Personal, woraufhin Haruka und Boldwin umgehend Staubwedel und Tablett weit von sich warfen und chillig die Füße hochlegten. Das Barvermögen ging an einen indischen Tuchfabrikanten. Die Familie erhielt ein Paket indischer Tücher, einen Sack Reis und einen Kochgutschein.
Als Running Gag wurde nach den verübten Morden am darauffolgenden Morgen immer wieder die Anzahl der noch benötigten Frühstückseier überprüft. In diesem Sinne beschloss Boldwin pragmatisch das Stück mit dem Satz: „Das war’s, wer hat jetzt Lust auf ein zweites Frühstücksei? Es sind noch Eier da.“
Durch einen langanhaltenden begeisterten Applaus bedankte sich das Publikum bei den beiden Theatergruppen und den Spielleiterinnen Nina Kohl und Simone Nimmerrichter für den wunderbar unterhaltsamen Theaterabend.

Elke Leibig (Schultheaterleiterin am Gregor-Mendel-Gymnasium)

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