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„Das indische Tuch“ – eine spannende Kriminalkomödie fesselt das Publikum

Die Theatergruppe der Unter- und Mittelstufe des MRG bot den
Zuschauer:innen ein ausgesprochen kurzweiliges und vergnügliches
Theaterstück zum Mitraten

[MRG, 13.07.2023] „Das indische Tuch“ stammt aus der Feder des äußert erfolgreichen Kriminalschriftstellers Edgar Wallace, der als Erfinder des modernen Thrillers gilt. Die Verfilmungen seiner Werke mit berühmten deutschen Schaupieler:innen besitzen Kultstatus. Basierend auf der Textgrundlage von Bernd Spehling gelang es der Spielleiterin Nina Kohl gekonnt, einen flotten, spaßigen Erbschaftskrimi zu inszenieren. Die beiden Regieassistentinnen Anja Fichtner und Summer Schindler unterstützten dabei tatkräftig.

Die Theaterfamilie am MRG hatte sich dieses Mal etwas ganz Besonderes, noch nie Dagewesenes einfallen lassen. Im Vorprogramm zeigte die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe Sketche zur Einstimmung. Eine tolle Idee! Nachdem die Abiturienten und Abiturientinnen der Q12 die Schule bereits verlassen haben, besteht dieses Ensemble unter der Leitung von Simone Nimmerrichter nun aus zwei Schaupieler:innen aus der Q11 und acht Schauspieler:innen aus der 8. Jahrgangsstufe. Im Rahmen der Fernsehsendung „Hautnah“ präsentierte die Gruppe auf höchst amüsante Art und Weise vier tagesaktuelle Nachrichten unter folgenden Schlagzeilen: „Parkverbot ignoriert“, „Krimineller Hippie“,
„Personalmangel in der Unterwelt“ und „Verschwundener Hippie…“. Durch zahlreich gesetzte Pointen brachten sächselnde Polizeibeamte (Frederike Dötsch und Verena Schaller), ein All-in-one Spezialist (Alex Meißner) (Spurensicherung, Mordkommission, Gerichtsmedizin, diensthabender Arzt, Hausmeister und Taxifahrer in einer Person), naturverbundene, konsumkritische und abstimmungsfreudige Hippies (Emilia Rubenbauer, Emily Sprychel, Jessie Zou und Anna Wendl) sowie italienische Mafiagangster (Stella Decker und Oscar Öckl), die sich in „Sprache mit Bild“ unterhielten, das Publikum zum Lachen. Die Moderatorin von „Hautnah“ (Pia Mutzbauer) kündigte im Anschluss an die Berichterstattung das Highlight des Abends an: „Das indische Tuch“ – „Crimetime zur Primetime“!

Das Hauptstück begann mit dem legendären Satz aus dem Off: „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“, der das Publikum kurz erschauern ließ. Die Polizistinnen (unterhaltsam verkörpert von Katharina Winkler und Victoria Zeltner) wiegten das Publikum jedoch in Sicherheit: Auf dem Schloss in Schottland sei nie etwas los, sogar der Fuchs sei „mit blanker Absicht gegen eine Eiche gebrettert, aus Langeweile“. Und schon passierte der erste Mord! Eine komplett in schwarz gekleidete Person erdrosselte den reichen Lord Lebanon mit einem indischen Halstuch. Die Hausangestellte Haruka (großartig: Lilli Sellin) entdeckte den Verblichenen beim Staubwedeln und hielt den Moment mit einem Polaroid-Selfie fest und der Aussage: „Also ich würde nicht gleich sagen, dass der tot ist, aber er lebt halt auch nicht mehr so richtig.“ Lady Lebanon (beherzt gespielt von Fiona Beer) war sichtlich erschüttert vom Ableben ihres Mannes.

Nachdem alle potentiellen Erben ohne besonderes Mitgefühl zur Testamentseröffnung erschienen waren, verlas der äußerst seriöse Familienanwalt Frank Tanner (einfach grandios: Hannes Lichtenegger), begleitet von der souverän autrretenden Rechtsanwältin (gekonnt dargestellt von Regina Sachsenhauser), das Testament: Auf ausdrücklich vorletzten Wunsch des Verstorbenen sollten alle erst einmal sechs Tage und sechs Nächte auf dem Schloss verbringen, bevor sie etwas in ihren Händen halten würden. Das Entsetzen war groß, verwandelte sich aber schlagartig in Wohlwollen, nachdem der professionelle Tanner verkündete, dass es sich u.a. um ein Barvermögen von einer Million Pfund handelte. Die Schauspielerin Mrs. Hockbridge (sehr intensiv: Anika Schwagerl) war plötzlich der Meinung, dass New York durchaus ein paar Tage warten könne, und auch Pastor Reverend Hastings (rührend besorgt: Simon Hummel) lenkte ein und kümmerte sich mal sonntags ausnahmsweise nicht um seine Schäfchen. Edward, der Sohn der Lebanons (gekonnt verkörpert von Luisa Wilfert), ein begnadeter Pianist, unterbrach unterdessen (des Öfteren) das Geschehen völlig unerwartet mit laut gesprochenen Klaviertönen: „…pa pa pa paaam…“. Ausgerechnet nach der ersten Zusammenkunft zog ein Unwetter auf, welches die schottische Halbinsel vom Festland trennte. Dem langjährigen Butler der Familie (sehr überzeugend und präsent: Martin Aumiller) gelang es, während der ganzen Misere stets Haltung und Fassung zu bewahren. So stellte er beispielsweise bei der Überprüfung des Telefons fest: „Das Telefon funktioniert, alles da, nur telefonieren kann man nicht mehr.“ Wäre nur Mr. Tilling (lässig und amüsant mit respektablem kölschem Dialekt: Alexandra Galiev) mit der Erfindung seines Taschentelefons schon weiter fortgeschritten! Seine Gattin, die Tochter des alten Lords, die spitzzüngige Mrs. Tilling (gekonnt genervt: Carina Schönberger) machte sich permanent lustig über die Erfindungen ihres Mannes und verkannte dabei, dass sich hier große Erfindungen wie Handy oder Online-Shopping fast ihren Weg gebahnt hätten. Das zerstrittene Ehepaar schenkte sich nichts und sorgte durch seine ironischen Dialoge für zahlreiche Lacher. Der barsche, außereheliche Sohn Peter Ross (überzeugend gespielt von Tassilo Schießl) illustrierte das Geschehen mit einer Zeichnung: „Ein Gehege mit Hyänen als Metapher für die Erbengemeinschaft.“ Ein gelungener Kniff erfolgte durch das Auftreten der Erzählerin (sehr facettenreich: Uliana Kiseleva), die übrigens zu Beginn Lord Lebanon spielte. An dieser Stelle versorgte sie das Publikum prompt mit ausführlichen Zusatzinformationen im Wikipediastil zur Spezies Hyäne. Diese spaßigen, variantenreichen Unterbrechungen sorgten für vorzügliche Unterhaltung.
Nach einer perfekt choreographierten Mutter-Sohn-Szene und einer Missverständnis-Szene zwischen der begabten Schauspielerin und dem trinkfreudigen Pfarrer folgte der nächste Mord. Der Mörder/die Mörderin schlich sich von hinten an und erdrosselte den Reverend, wieder mit einem indischen Tuch. Haruka teilte den Verwandten am nächsten Morgen mit, dass der Reverend „nicht mehr frühstücken würde“ und versuchte die „blöde Sache, ganz blöde Sache“ zu erklären. Die ängstliche Isla (gekonnt dargestellt von Lena Zabel) fand die ganze Situation sowie Edwards Umgarnungen einfach nur „schrecklich“. Hausärztin Dr. Amersham (überzeugend sachlich: Anna Rauchenberger) stellte fachlich präzise den Tod durch Erwürgen fest. Die Polizistinnen verdächtigten Mr. Tilling, da sich ein Knopf seiner
Jacke am Tatort befand. Tilling wollte sich laut eigener Aussage lediglich Rat vom Reverend holen, da seine Gattin die Scheidung wolle. Tatsächlich wurde Mrs. Tilling unmittelbar nach dem Verhör zum nächsten Opfer.
Nach drei Morden ging es in die Pause mit der eindringlichen Anweisung: „Jeder passt auf, nach 20 Minuten sehen wir uns genau hier wieder, und zwar ALLE!“
Nun schritt die Handlung temporeich voran. Dr. Amersham wurde von Lady Lebanon mit dem Vorwurf unterschlagener Medikamentenlieferungen kompromittiert und es schien so, als habe die Lady die undurchschaubare Ärztin in ihrer Hand. Mr. Tilling drehte nach den Mordvorwürfen durch und knallte mit einer Waffe um sich. Haruka schlug mit einer Stehlampe auf ihn ein und brachte ihn versehentlich zur Strecke. Boldwin zollte Respekt: „Dem hast du gezeigt, wo die Lampe hängt.“ Endlich wurde die nächste Tote, Mrs. Hockbridge, entdeckt, die schon seit geraumer Zeit unbemerkt in eindeutiger Position im
Sessel gesessen hatte.
Es wurde gemordet, was das Zeug hielt. Peter Ross war das nächste Opfer. Kein Wunder, dass der sonst immer analytisch vorgehende Tanner dann auch einmal die Fassung verlor. Die Anwälte und Lady Lebanon gingen gemeinsam alle möglichen Mordmotive durch und beschuldigten sich am Ende sogar gegenseitig. Nachdem schließlich noch Dr. Amersham dran glauben musste, wurde die Sache natürlich durchschaubarer und prompt überwältigten und enttarnten die Polizistinnen auch schon den Täter auf der Flucht. Zum Vorschein kam, keiner hätte es gedacht, Sohn Edward. Das „mega super duper Spitzenteam“ der Polizistinnen lobte die eigene mentale Stärke, mit der sie den Fall gelöst hätten und sie ließen dabei mit einem Augenzwinkern ihre Muskeln spielen.
Die eigentliche Testamentseröffnung hielt zum Schluss einige Überraschungen bereit. Das Schloss erbte das Personal, woraufhin Haruka und Boldwin umgehend Staubwedel und Tablett weit von sich warfen und chillig die Füße hochlegten. Das Barvermögen ging an einen indischen Tuchfabrikanten. Die Familie erhielt ein Paket indischer Tücher, einen Sack Reis und einen Kochgutschein.
Als Running Gag wurde nach den verübten Morden am darauffolgenden Morgen immer wieder die Anzahl der noch benötigten Frühstückseier überprüft. In diesem Sinne beschloss Boldwin pragmatisch das Stück mit dem Satz: „Das war’s, wer hat jetzt Lust auf ein zweites Frühstücksei? Es sind noch Eier da.“
Durch einen langanhaltenden begeisterten Applaus bedankte sich das Publikum bei den beiden Theatergruppen und den Spielleiterinnen Nina Kohl und Simone Nimmerrichter für den wunderbar unterhaltsamen Theaterabend.

Elke Leibig (Schultheaterleiterin am Gregor-Mendel-Gymnasium)

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