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Märchen & Crime an der Schönwerth-Realschule

Die Theatergruppe der Franz-Xaver-von-Schönwerth-Realschule begeistert mit der verrückt-kreativen Eigenproduktion „redhood crime – Märchen verRückt“

[FXvS, 13.07.2023] „Rotkäppchen“, „Schneewittchen“, „Der Wolf und die sieben Geißlein“ – wer kennt diese Märchen der Gebrüder Grimm nicht seit Kindertagen? Der Theatergruppe „Theaterfieber“ der Franz-Xaver-von-Schönwerth-Realschule gelang es unter der Leitung von Brischitte Bodensteiner und Thomas Spörer, diese bekannten klassischen Märchen für eine ganz neue, spritzige und moderne Eigenproduktion zu nutzen und dabei die Zuschauer auch ein bisschen aufs Fake News – Glatteis zu führen.

Fröhlich herein tanzend und stimmungsvoll im Chor sprechend und flüsternd  führten die schwarz gekleideten und mit Zeitungen ausgestatteten  SchauspielerInnen in das Thema Märchen ein: „Es war einmal vor langer, langer Zeit…“, um gleich danach das Märchenwissen der Zuschauer beim Vorlesen von reißerischen Zeitungsüberschriften zu testen: Headlines wie „Mörder im Haus der Großmutter“ (Redhood), „Leichte Handverletzung führt zum Tiefschlaf“ (Dornröschen) und „Alte Dame möchte Jüngling vernaschen“ (Hänsel und Gretel) brachten die Zuschauer nicht nur zum stillen Mitraten, sondern auch zum Schmunzeln und sogar lautem Lachen. Das Thema war also gesetzt und die märchenhafte Crime-Story konnte beginnen:

Eindrucksvoll wurde das Publikum über die Ausgangssituation des Kriminalfalls informiert: Redhood will ihre tief im Wald lebende und kranke Großmutter mit Wein und Kuchen besuchen, trifft auf dem Weg den bösen Wolf und kommt – hier ein neues Element der Schönwerthschen Theaterproduktion – auf ihrem Weg auch am Haus der sieben Zwerge aus dem Märchen „Schneewittchen“ vorbei. Diese Geschichte ist dem Publikum natürlich bekannt und deshalb ist es weniger die Story als die Darbietung, die in den Bann zieht: Die Geschichte wird nämlich chorisch in Gedichtform dargeboten, fehlende Reime werden sowohl von den Schauspielern als auch von den Zuschauern ergänzt. Parallel dazu wird sie nicht nur mit passender Musik, sondern auch schauspielerisch von Redhood, dem Wolf und den sieben Zwergen begleitet – besonders eindrucksvoll, als das Haus der sieben Zwerge in einem Standbild gebaut wird. Am Ende dann  ist der Schreck von Redhood „riesengroß: Die Großmutter fort!!! – Wo ist die bloß???“ und das Märchen beginnt sich in einen richtigen Kriminalfall zu verwandeln, als klar wird, dass es der Wolf nicht gewesen sein kann. Denn der ernährt sich seit neuestem „streng vegan“.

Ab jetzt gilt es also, den Fall aufzuklären und dafür betreten in der nächsten Szene zu James-Bond-Musik ein an Sherlock Holmes erinnernder, weltfremder Hauptkommissar (Edwin Hermann) mit seinem Gehilfen (Anton Sandner) und zwei Sekretärinnen (Klara Beer, Alegra Saval) den Tatort – kenntlich gemacht mit einem rot-weißen Absperrband. Und kaum sind sie in Großmutters Haus angekommen, findet sich auch schon ein erstes Beweisstück: Ein – laut Kommissar – „mit Samt bedecktes elastisches Haarbändigungsinstrument“ oder auch nur – wie von einer der Sekretärinnen lapidar zusammengefasst – ein graues „Haarband“. Was es mit diesem auf sich hat, wird dann in der nächsten Szene klar: Denn dass es – wie es in der Zeitung steht – nur das kleine süße Mädchen Redhood gibt, wird von drei Anti-Erzählerinnen laut und deutlich als Fake News entlarvt: „Ihr glaubt auch alles, was in der Zeitung steht!“ Nicht bekannt ist nämlich, dass es neben der lieben, positiv denkenden  Redhood auch eine zickige Greyhood gibt, die sich von der Großmutter immer zurückgesetzt fühlt.  Diese beiden sehr unterschiedlichen Charaktere werden in der folgenden Szene nicht nur authentisch durch die Schauspielerinnen Laura Wagner und Romina Barile verkörpert, sondern auch ganz wunderbar durch einen zur Musik von Schwanensee grazil tanzenden weiß gekleideten Engel (Karolina Golcer) und den zu Heavy Metal Musik rockenden schwarzen Teufel (Karolynn Hartmann). Und mit Greyhoods Eifersucht und ihrem hinterlistig vorgetragenen Satz „Ich freu mich schon darauf, Großmutter zu besuchen“, ist die Fährte gelegt: Greyhood macht sich verdächtig, ihre Eifersucht ist ein klares Motiv!

Dies erkennt in der nächsten Szene auch der Hauptkommissar mit seinem Team, bevor er am Tatort ein weiteres auffälliges Indiz findet: Eine grüne Zwergenmütze. Wieder werden die Zuschauer zunächst mithilfe der drei Zeitungserzählerinnen und ihren Counterparts darüber aufgeklärt, dass sie falsch informiert waren. Was in der Märchenzeitung steht, stimmt gar nicht: Die vermeintlich braven, putzigen und hart arbeitenden Zwerge wollten in Wahrheit „von der Großmutter was klauen!“ Gezeigt wird das in der nächsten Szene, als die sieben Zwerge (Lucie Bauer, Johanna Schuhbauer, Sama Alhaw, Meryem Celen, Lisa Sauerwein, Waleria Frescher und Romina Barile) mit ihren grünen Mützen zu cooler Zwergenmusik auf die Bühne tanzen. Im Haus der Großmutter angekommen, finden sie aber nicht den Lichtschalter, irren herrlich komisch gespielt im dunklen Haus der Großmutter herum, bis diese schließlich kommt und sie vertreibt. Ein Motiv für den Mord an der Großmutter?

Davon geht der Kommissar in Großmutters Haus aus und fasst zunächst einmal die Motive zu den zwei bereits gefundenen Beweisstücken zusammen. Doch da zwei Verdächtige nicht genug sind, stoßen sie bei ihrer Tatortbegehung noch auf ein drittes Indiz: ein „Wolfspelz-Dings“. Wieder werden die Zuschauer in einer Introszene über die Hintergründe aus dem Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ informiert – allerdings diesmal mit dem Unterschied, dass die Zeitungserzählerinnen keine Widerlegung ihrer Geschichte zulassen – die an der Tür rüttelnden Antierzählerinnen werden gar nicht erst hereingelassen. Die darauffolgende szenische Darstellung des Waldes mit seinen pfeifenden Winden, den singenden Vögeln und den klopfenden Spechten zieht den Zuschauer sofort in den Bann, ebenso die zunächst harmlos spielenden Geißlein (Maria Mihon, Karolynn Hartmann, Lucie Bauer, Florentina Gron, Johanna Schuhbauer, Samira Wagner und Anna Wanscheidt) und die bedrohlicher werdenden chorisch gesprochenen Stimmen des Waldes: „Der Wolf geht um, der Wolf geht um!“ Und als dieser (Sarah Lehner) ausgemergelt und hungrig auftritt, riecht er eine Mischung aus Geißlein und alter Großmutter. Und der Zuschauer fragt sich: Hunger als Motiv?

Die Auflösung dann in der nächsten Szene: Alle Verdächtigen – Greyhood, die Zwerge, der Wolf und die Geißlein – versammeln sich auf der Bühne, das Publikum wird nun einbezogen und zum Tathergang interviewt. Diese Befragung gipfelt in der Frage an alle: „Wer könnte der Mörder sein?“ Und der Aufforderung: „Einfach reinrufen!“ Und während die Zuschauer noch über den Einwurf des Kommissargehilfen, dass ja eigentlich noch gar keine Leiche gefunden worden sei, grübeln, kommt – welch große Überraschung – die Großmutter (Sarah Lehner) auf die Bühne – zuerst schimpfend und dann überfordert, da sie die große Aufregung über ihr Erscheinen gar nicht versteht.

In einer an die Anfangsszene angelehnten, spannenden Schlussszene dann die Aufklärung, verbunden mit der Aufforderung, nicht alles zu glauben, was in der Zeitung steht. Denn die Schlagzeile „Mörder im Haus der Großmutter“ entpuppte sich schließlich wieder als Fake News – nichts davon stimmte, die dreitägige Suche nach dem Mörder war verschwendete Zeit. Umso echter dann die sehr lustigen und die Zuschauer erheiternden Erklärungen für ihre Abwesenheit: Sie war bei Rapunzel zum Haareflechten, das graue Haarband hat sie beim Aufbruch dorthin verloren. Die Zipfelmütze war ihre Duschhaube und das Stück Wolfspelz ihr alter Putzlumpen.

Die Schönwerth-Theatergruppe „Theaterfieber“ bescherte den Zuschauern mit ihrer kreativen und witzigen Eigenproduktion ein kurzweiliges und sehr unterhaltsames Theatererlebnis und beeindruckte besonders durch die bildhaften und einprägsamen Tanz- und Gruppenszenen, das ausdrucksstarke und abwechslungsreiche chorische Sprechen sowie durch die stimmungsvolle Untermalung der Auftritte mit perfekt ausgewählter Musik. Nach der Aufführung dankte Brischitte Bodensteiner allen Beteiligten – den jungen, unheimlich spielfreudigen SchauspielerInnen, die sie liebevoll ihre „Duracell-Hasen“ nannte, und auch den Licht- und Tontechnikern (Jonas Germershausen, Bela Schmid-Burgk, Fabian Busch, Kilian Frohmann, Nick Schödel, Jonas Schenzel, Dominik Bauer und Ferdinand Gebhard). Dass die Theaterarbeit die Schüler auch über die Schulzeit hinaus noch mit ihrer Schule verbinden kann, bewiesen die Ehemaligen Niklas Giedl und Manuel Sailer, die die Gruppe als Techniker und Theaterassistent tatkräftig unterstützten. Auch ihren Einsatz würdigte die Theaterleiterin, das Publikum belohnte alle Beteiligten noch einmal mit verdientem, donnerndem Applaus.

Sandra Häusler (Schultheaterleiterin am Erasmus-Gymnasium)

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